Sonntag bis Donnerstag: 9.00-17.00 Uhr Freitags und an den Abenden vor einem Feiertag: 9.00-14.00 Uhr
Yad Vashem ist an Samstagen und jüdischen Feiertagen geschlossen.
Sonntag bis Donnerstag: 9.00-17.00 Uhr Freitags und an den Abenden vor einem Feiertag: 9.00-14.00 Uhr
Yad Vashem ist an Samstagen und jüdischen Feiertagen geschlossen.
Zwei blonde Jungen, die Haare wie reifes Korn, nackte Beine, nackte Oberkörper. Zwei kleine Jungen. Elf Jahre, sieben Jahre. Beide blond, blaue Augen, gebräunte Haut. Der Nacken dunkler.
Der Größere zankt mit dem Kleinen. Der Kleine ist schlecht aufgelegt. Er quengelt und sagt schließlich murrend:
„Nein. Immer bist du es.“
„Natürlich. Ich bin schon groß.”
„Nein. Das ist ungerecht. Nie bin ich dran.“
Widerwillig, und weil entschieden werden muß, schlägt der Ältere vor:
„Also gut, hör zu. Wir spielen noch einmal so, und dann tauschen wir. Danach geht es immer abwechselnd. Einverstanden?“
Der Kleine schnieft, löst sich widerstrebend von der Mauer, an der er lehnt, bockig, die Augen wegen der Sonne zusammengekniffen, und geht mit trödelnden Schritten zu seinem Bruder. Der andere fährt ihn an: „Kommst du? Spielen wir?“, und fängt an, den zu spielen, der er seine möchte. Dabei paßt er auf, ob der Kleine mitspielt. Der Kleine wartet. Er spielt noch nicht mit. Er wartet, bis sein Bruder fertig ist.
Der Große bereitet sich vor. Er knöpft eine Jacke zu, schnallt ein Koppel um, befestigt sorgfältig den Dolch an der Seite, korrigiert mit beiden Händen den Sitz seiner Mütze auf dem Kopf. Mit der Manschette poliert er vorsichtig den Rand der Mütze, berührt den Schirm, der er tief über die Augen gezogen hat.
In dem Maße, wie er in seine Rolle schlüpft, werden seine Züge und sein Mund härter. Seine Lippen werden schmal. Er wirft den Kopf zurück, den Blick wie durch einen Mützenschirm eingeengt, strafft er sich, legt die linke Hand auf den Rücken, die Handfläche nach außen, mit der Rechten klemmt er ein imaginäres Monokel ins Auge und blickt um sich.
Doch nun wird er unruhig. Er merkt, daß er etwas vergessen hat. Er gibt seine Rolle für einen Moment auf und holt seine Reitgerte. Es ist eine richtige Gerte, die im Gras liegt – eine biegsame Rute, die er immer benutzt; er nimmt wieder Haltung an und klopft mit der Gerte leicht gegen seine Stiefel. Er ist bereit. Er dreht sich um.
Sofort schlüpft auch der Kleine in seine Rolle. Er gibt sich nicht weniger Mühe damit. Er strafft sich erst beim Blick seines Bruders und rückt sofort einen Schritt vor, erstarrt, schlägt die Hacken zusammen – man hört keinen Knall, er ist barfuß –, hebt den rechten Arm, sieht ihm ausdruckslos ins Gesicht. Der andere antwortet mit einem kurzen, nur angedeuteten Gruß, von oben herab. Der Kleine senkt den Arm, schlägt noch einmal die Hacken zusammen, und der Große marschiert los. Aufrecht, das Kinn vorgereckt und mit hochmütigem Mund; die Gerte rollt er zwischen Daumen und Zeigefinger, um leicht seine nackten Waden zu klopfen. Der Kleine folgt im Abstand. Er marschiert nicht so stramm. Ein einfacher Soldat.
Sie durchqueren den Garten. Ein Garten mit Quadraten von Rosen, Blumenreihen am Rasenrand. Sie durchqueren den Garten. Der Kommandant sieht prüfend, von oben herab, um sich. Die Ordonnanz folgt und wirft nirgendwohin einen Blick. Der dämliche Soldat.
Hinten machen sie neben einer Hecke aus Rosenstämmen Halt. Der Kommandant zuerst, die Ordonnanz zwei Schritt hinter ihm. Der Kommandant stellt sich auf, das rechte Bein leicht ausgestellt, das Knie etwas angewickelt, eine Hand im Rücken, die andere, die die Gerte in der Mitte hält, an der Hüfte. Er ist Herr über die Rosenstöcke. Sein Ausdruck wird böse, und er gibt Kommandos. Er schreit:
„Schnell! Rechts! Links!“ Seine Brust wölbt sich. „Rechts! Links!“ Dann wechselt er: „Links! Rechts!“ – immer schneller, immer lauter. „Links! Rechts! Links! Rechts! Links!“ – schneller, immer schneller.
Bald können die Häftlinge, denen die Kommandos gelten, nicht mehr mithalten. Sie stolpern, kommen aus dem Tritt. Der Kommandant ist bleich vor Zorn. Mit der Gerte schlägt er, schlägt und schlägt.
Ohne sich zu rühren, die Schultern immer noch straff, die Augenbrauen hochgezogen. Außer sich vor Wut brüllt er: „Schneller! Schneller! Aber los!“ und schlägt bei jedem Kommando zu.
Am Ende der Kolonne sieht er plötzlich etwas, was nicht Ordnung ist. Mit einem Satz ist er da, bedrohlich, und trifft genau auf seinen Bruder, der sofort seine Rolle als Ordonnanz ablegt. Jetzt spielt er den Häftling, der etwas falsch gemacht hat, der Rücken ist gekrümmt, die Beine wollen den Körper nicht mehr tragen, das Gesicht ist eingefallen, der Mund schmerzverzerrt, der Mund eines Menschen, der nicht mehr kann. Der Kommandant nimmt die Gerte in die andere Hand, ballt die Rechte zur Faust und schlägt ihn mitten auf die Brust – ein Fausthieb nur zum Schein, es ist ein Spiel. Der Kleine schwankt, dreht sich, stürzt der Länge nach auf den Rasen. Der Kommandant betrachtet den Gefangenen, den er zu Boden geschlagen hat, voll Verachtung, mit Schaum vor dem Mund. Und seine Wut legt sich. Er empfindet nur noch Abscheu. Ergibt dem anderen einen Fußtritt – nur zum Schein, er ist barfuß, und es ist ein Spiel. Doch der Kleine kennt das Spiel. Der Fußtritt wirft ihn herum wie ein schlaffes Bündel. Er streckt sich, den Mund offen, die Augen erloschen.
Mit einem Zeichen der Gerte befiehlt nun der Große den unsichtbaren Häftlingen um ihn herum: „Zum Krematorium“ und geht. Stramm, zufrieden, angewiedert.
Der Lagerkommandant wohnt ganz in der Nähe, außerhalb des elektrischen Stacheldrahts. Ein Backsteinhaus mit einem Garten mit Rosenstöcken und Rasen, mit leuchtend bunten Begonien in blaugestrichenen Kästen. Zwischen den Rosenstöcken und dem Stacheldraht verläuft der Weg, der zum Krematorium führt. Das ist der Weg, wenn die Toten auf Bahren weggetragen werden. Die Toten folgen einander den ganzen Tag lang. Der Schornstein raucht den ganzen Tag lang. Die Stunden lassen den Schatten des Schornsteins über den Sand des Durchgangs und über die Rasenflächen wandern. Die Söhne des Kommandanten spielen im Garten. Sie spielen Pferd, Ball oder sie spielen Kommandant und Häftling.
Copyright © 1990 Verlag Stroemfeld/Roter Stern, Frankfurt am Main/Basel, aus: Charlotte Delbo: Trilogie. Auschwitz und danach, S.141-145 (Der Kommandant), Aus dem Französischen von Eva Groepler und Elisabeth Thielicke. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages.
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