Pädagogische Vorüberlegungen zur Geschichte "Liebe und Verrat"

Die Geschichte von Heinrich Heinen und Paul Krebs, die als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt wurden, ermöglicht eine pädagogische Auseinandersetzung mit den folgenden Themen:

• Die Lernenden setzen sich mit jüdischem Leben in Deutschland vor der Shoah auseinander, indem sie die Familiengeschichten der deutschen Jüdinnen Edith Mayer und Helene Krebs kennenlernen. Das Schicksal der Cousinen, die beide mit nicht-jüdischen Partnern liiert waren, zeigt, wie eng die Lebenswelt der deutschen Jüdinnen und Juden mit der nicht-jüdischen deutschen Mehrheitsgesellschaft verflochten war. Gleichzeitig wird sichtbar, wie fragil der Status quo der jüdischen Minderheit war, nachdem die Ausgrenzungs-, Entrechtungs- und Verfolgungspolitik der Nazis nach 1933 diese Lebenswelt aus ihrem empfindlichen Gleichgewicht brachte.
• Die Lernenden befassen sich mit dem Aspekt deutsch-jüdischer Ehen und Lebensgemeinschaften, in denen sich bis 1933 ca. 35.000 deutsche Jüdinnen und Juden befanden. Häufig fühlten sich die jeweils jüdischen Ehepartner vollständig der deutschen Gesellschaft zugehörig. Insgesamt führte die Mehrheit der etwa 500.000 deutschen Jüdinnen und Juden einen akkulturierten Lebensstil, der sich deutlich an der nicht-jüdischen Mehrheitsgesellschaft orientierte. Diese Ausgangskonstellation sollte den Lernenden also als durchaus charakteristisch für das deutsche Judentum vor 1933 vorgestellt werden.

Diese scheinbare Harmonie wurde durch die rassistische Ideologie der Nationalsozialisten erschüttert. Jüdisch-deutsche Beziehungen wurden hinterfragt, neu bewertet und häufig abgebrochen. Dies geschah auf allen Ebenen, angefangen von losen nachbarschaftlichen Verhältnissen, bis hin zu Freundschaften und Liebesbeziehungen bzw. Ehegemeinschaften.

Als Edith Mayer und Heinrich Heinen sich im Jahr 1938 in Köln kennenlernten und ineinander verliebten, war es ihnen aufgrund der Nürnberger Gesetze (1935) verboten, ein Paar zu sein. Ediths Cousine Helene, die bereits vor der Verabschiedung der Nürnberger Gesetze ihren nicht-jüdischen Partner Paul Krebs geheiratet hatte, war durch diese Verbindung zunächst vor der Deportation geschützt.

• Den Lernenden wird durch die vorliegende Geschichte ein Verständnis davon vermittelt, dass die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“ trotz radikaler Gleichschaltungsmaßnahmen stets aus einzelnen Individuen zusammengesetzt war, die ihren eigenen Handlungsspielraum innerhalb der Diktatur auf unterschiedlichste Weise interpretierten. Jene, die sich entschieden, jüdischen Nachbar*innen, Freund*innen oder Partner*innen solidarisch zur Seite zu stehen und sich für sie einzusetzen, gingen dabei – in unterschiedlichem Ausmaß – immer auch ein Risiko in Bezug auf ihre eigene Sicherheit ein. An den jeweiligen Handlungen der vier nicht-jüdischen Deutschen, die mit dem Schicksal der beiden jüdischen Cousinen Edith und Helene auf unterschiedliche Weise verbunden waren, lässt sich bereits eine große Spannbreite möglicher Verhaltensweisen ablesen: Verrat, Profitgier, hilfloses Aufbegehren, temporärer Schutz durch das Gewähren von Wohnraum und Nahrung, und schließlich die Entscheidung, das eigene Leben zu riskieren, um seine Verlobte vor den Nationalsozialisten zu retten. 

Dass das Leben der beiden jüdischen Frauen, Edith Mayer und Helene Krebs, schließlich trotz ihrer Verbindung zu nicht-jüdischen Partnern tragisch mit der Verschleppung aus dem Land ihrer Kindheit und Jugend und schließlich mit ihrer Ermordung in Auschwitz endete, ist in erster Linie ihren früheren Bekannten, dem deutschen Ehepaar Berntgen zuzuschreiben, die die beiden Frauen sowie ihre nicht-jüdischen Partner denunzierten. Nach eigenen Angaben (von Willi Berntgen) ging dem entscheidenden Anruf bei der Gestapo ein einwöchiger Entscheidungsprozess voraus, in dem seine Frau Paula Berntgen, die mit Edith und Helene befreundet gewesen war, offensichtlich das Risiko durch gelebte Solidarität gegen die Profitmöglichkeiten durch einen Verrat abwog.