Ich nehme Bezug auf die heute in Berlin stattgefundene Besprechung und weise noch einmal darauf hin, dass die geplanten Gesamtmaßnahmen (also das Endziel) streng geheim zu halten sind.
Es ist zu unterscheiden zwischen
(1) dem Endziel (welches längere Fristen beansprucht) und
(2) den Abschnitten der Erfüllung dieses Endzieles, (welche kurzfristig durchgeführt werden.)
Die geplanten Maßnahmen erfordern gründlichste Vorbereitung sowohl in technischer, als auch in wirtschaftlicher Hinsicht.
Es ist selbstverständlich, dass die anstehenden Aufgaben von hier in allen Einzelheiten nicht festgelegt werden können. Die nachstehenden Anweisungen und Richtlinien dienen gleichzeitig dem Zwecke, die Chefs der Einsatzgruppen zu praktischen Überlegungen anzuhalten.
I.
Als erste Vorausnahme für das Endziel gilt zunächst die Konzentrierung der Juden vom Lande in die größeren Städte. Sie ist mit Beschleunigung durchzuführen.
Es ist dabei zu unterscheiden:
(1) zwischen den Gebieten Danzig und Westpreußen, Posen, Ostoberschlesien und
(2) den übrigen besetzten Gebieten.
Nach Möglichkeit soll das unter Ziffer 1) erwähnte Gebiet von Juden freigemacht werden, zu mindestens aber dahin gezielt werden, nur wenige Konzentrierungsstädte zu bilden. In den unter Ziffer 2 erwähnten Gebieten sind möglichst wenige Konzentrierungspunkte festzulegen, so dass die späteren Maßnahmen erleichtert werden. Dabei ist zu beachten, dass nur solche Städte als Konzentrierungspunkte bestimmt werden, die entweder Eisenbahnknotenpunkte sind oder zum mindesten an Eisenbahnstrecken liegen.
Es gilt grundsätzlich, dass jüdische Gemeinden mit unter 500 Köpfen aufzulösen und der nächstliegenden Konzentrierungsstadt zuzuführen sind. Dieser Erlass gilt nicht für das Gebiet der Einsatzgruppe 1, welches etwa, östlich von Krakau liegend, umgrenzt wird von Polanica, Jaroslaw, der neuen Demarkationslinie und der bisherigen slowakisch-polnischen Grenze. Innerhalb dieses Gebietes ist lediglich eine behelfsmäßige Judenzählung durchzuführen. Des Weiteren sind die nachstehend behandelten jüdischen Ältestenräte aufzustellen.
II.
Jüdische Ältestenräte.
(1) In jeder jüdischen Gemeinde ist ein jüdischer Ältestenrat aufzustellen, der, soweit möglich, aus den zurückgebliebenen maßgebenden Persönlichkeiten und Rabbinern zu bilden ist. Dem Ältestenrat haben bis zu 24 männliche Juden (je nach Größe der jüdischen Gemeinde) anzugehören. Er ist im Sinne des Wortes voll verantwortlich zu machen für die exakte und termingemäße Durchführung aller ergangenen oder noch ergehenden Weisungen.
(2) Im Falle der Sabotage solcher Weisungen sind den Räten die schärfsten Maßnahmen anzukündigen.
(3) Die Judenräte haben eine behelfsmäßige Zählung der Juden möglichst gegliedert nach Geschlecht (Altersklassen), a) bis 16 Jahren, b) von 16 bis 20 Jahren und c) darüber, und nach den hauptsächlichsten Berufsschichten - in ihren örtlichen Bereichen vorzunehmen und das Ergebnis in kürzester Frist zu melden.
(4) Den Ältestenräten sind Termine und Fristen des Abzuges, die Abzugsmöglichkeiten und schließlich die Abzugsstraßen bekannt zu geben. Sie sind sodann persönlich verantwortlich zu machen für den Abzug der Juden vom Lande. Als Begründung für
die Konzentrierung der Juden in die Städte hat zu gelten, dass sich Juden maßgeblichst an den Franktireurüberfällen und Plünderungsaktionen beteiligt haben.
(5) Die Ältestenräte in den Konzentrierungsstädten sind verantwortlich zu machen für die geeignete Unterbringung der aus dem Lande zuziehenden Juden. Die Konzentrierung der Juden in Städten wird wahrscheinlich aus allgemein sicherheitspolizeilichen Gründen Anordnungen in diesen Städten bedingen, dass den Juden bestimmte Stadtviertel überhaupt verboten werden, dass sie - stets jedoch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Notwendigkeiten - z. B. das Getto nicht verlassen, zu einer bestimmten Abendstunde nicht mehr ausgehen dürfen, usw.
(6) Die Ältestenräte sind auch verantwortlich zu machen für die entsprechende Verpflegung der Juden auf dem Transport in die Städte. Es sind keine Bedenken geltend zu machen, wenn die abwandernden Juden ihr bewegliches Gut, soweit technisch überhaupt möglich, mitnehmen.
(7) Juden, welche dem Befehl, in die Städte umzusiedeln, nicht nachkommen, ist in begründeten Fällen eine kurz bemessene Nachfrist zu gewähren. Es ist ihnen strengste Bestrafung anzukündigen, wenn sie auch dieser Frist nicht nachkommen sollten.
III.
Alle erforderlichen Maßnahmen sind grundsätzlich stets im engsten Benehmen und Zusammenwirken mit den deutschen Zivilverwaltungs- und örtlich zuständigen Militärbehörden zu treffen.
Bei der Durchführung ist zu berücksichtigen, dass die wirtschaftliche Sicherung der besetzten Gebiete keinen Schaden leidet.
(1) Es ist vor allem Rücksicht zu nehmen auf die Bedürfnisse des Heeres; z. B. wird es sich kaum vermeiden lassen, zunächst da und dort Handelsjuden zurückzulassen, welche zur Verpflegung der Truppen mangels anderweitiger Möglichkeiten unbedingt zurückbleiben müssen. In diesen Fällen ist jedoch im Benehmen mit den örtlichen zuständigen deutschen Verwaltungsbehörden die alsbaldige Arisierung dieser Betriebe anzustreben und die Auswanderung der Juden nachzuholen.
(2) Bei der Wahrung der deutschen Wirtschaftsinteressen in den besetzten Gebieten ist es selbstverständlich, dass jüdische Lebens-, Kriegs- oder für den Vierjahresplan wichtige Industriezweige und -betriebe zunächst aufrecht erhalten bleiben müssen. Auch in diesen Fällen ist die alsbaldige Arisierung anzustreben und die Auswanderung der Juden nachzuholen.
(3) Es ist schließlich Rücksicht zu nehmen auf die Ernährungslage in den besetzten Gebieten. So sind z.B. Grundstücke jüdischer Siedler nach Möglichkeit den benachbarten deutschen oder auch polnischen Bauern zur Mitbewirtschaftung kommissarisch in Pflege zu geben, so dass die Einbringung der noch außenstehenden Ernte bzw. der Wiederanbau gewährleistet, ist. Hinsichtlich dieser wichtigen Frage ist mit dem landwirtschaftlichen Sachreferenten des C. d.Z. Verbindung aufzunehmen.
(4) In allen Fällen, in denen eine Übereinstimmung der Interessen der Sicherheitspolizei einerseits und der deutschen Zivilverwaltung andererseits erzielt werden kann, ist mir vor Durchführung der in Frage stehenden Einzelmaßnahmen auf dem schnellsten Wege zu berichten und meine Entscheidung abzuwarten.
IV.
Die Chefs der Einsatzgruppen berichten mir laufend über die folgenden Sachverhalte:
(1) Zahlenmäßige Übersicht über die in ihren Bereichen befindlichen Juden (möglichst in der oben angegebenen Gliederung). Es sind hierbei getrennt anzugeben die Zahlen der Juden, welche vom Lande zur Abwanderung gebracht werden, und jener, welche sich bereits in den Städten befinden.
(2) Namen der Städte, welche als Konzentrierungspunkte bestimmt worden sind.
(3) Die den Juden zur Abwanderung in die Städte gesetzten Termine.
(4) Übersicht über alle jüdischen Lebens- und Kriegs- oder für den Vierjahresplan wichtigen Industriezweige und Betriebe ihres Bereiches.
Es sind möglichst folgende Feststellungen zu treffen:
a) Art der Betriebe (zugleich Angabe der möglichen Umstellung des Betriebes zu wirklich lebenswichtigen, bzw. kriegswichtigen oder für den Vierjahresplan wichtigen Betrieben);
b) welche von diesen Betrieben sind vordringlichst zu arisieren (um jedwede Schädigung auszuschalten)? Wie wird die Arisierung vorgeschlagen? Deutsche oder Polen (diese Entscheidung ist abhängig von der Wichtigkeit des Betriebes);
c) wie groß ist die Zahl der in diesen Betrieben beschäftigten Juden (darunter der leitenden Positionen).
Kann der Betrieb nach Abschub der Juden ohne weiteres aufrechterhalten bleiben, oder bedarf diese Aufrechterhaltung der Zuteilung von deutschen bzw. polnischen Arbeitskräften? In welchem Umfange? Soweit polnische Arbeitskräfte herangezogen werden müssen, ist darauf Bedacht zu nehmen, dass diese vor allem aus den früheren deutschen Provinzen hereingeholt werden, so dass das Polentum dort bereits eine Auflockerung erfährt. Diese Fragen können nur durch Einschaltung und Beteiligung der eingerichteten deutschen Arbeitsämter durchgeführt werden.
V.
Zur Erreichung der gesteckten Ziele erwarte ich rastlosen Einsatz aller Kräfte der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes.
Die benachbarten Chefs der Einsatzgruppen haben miteinander sofort Fühlung aufzunehmen, damit die in Betracht kommenden Gebiete restlos erfasst werden. [...]
Vl.
Das OKH, der Beauftragte für den Vierjahresplan (z. Hd. des Herrn Staatssekretärs Neumann), das Reichsministerium des Innern (z. Hd. des Herrn Staatssekretärs Stuckart), für Ernährung und Wirtschaft (z. Hd. des Herrn Staatssekretärs Landfried) sowie die Chefs der
Zivilverwaltung des besetzten Gebietes haben Abzug dieses Erlasses erhalten.