Sonntag bis Donnerstag: 9.00-17.00 Uhr Freitags und an den Abenden vor einem Feiertag: 9.00-14.00 Uhr
Yad Vashem ist an Samstagen und jüdischen Feiertagen geschlossen.
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Den hier veröffentlichten Text „Goldenes Haar“ hat Ehud Loeb verfasst – der Überlebende, der promovierte Kunsthistoriker, der Kollege, der Ehemann und Familienvater – Ehud Loeb, geborener Herbert Odenheimer. Diejenigen unserer Leserinnen und Leser, die ihn persönlich kennen, werden das Bild eines gebildeten, freundlichen Herrn im Kopf haben, der in perfekter sprachlicher und emotionaler Beherrschung die traumatisierenden Ereignisse seiner Kindheit und Jugend so zu vermitteln versucht, dass die Zuhörenden etwas besser die Zusammenhänge von Überleben und dem Leben danach begreifen würden. Für diesen Prozess der Vermittlung existiert nach Ehud Loebs Auffassung ein Set „richtiger Fragen“, die – werden sie denn gestellt – idealerweise den erwünschten, stets kognitiv gesteuerten und zugleich sensibel empfundenen Verstehensprozess auslösen können.
Hierin liegt der Kern der – üblicherweise innerhalb eines pädagogisch angelegten Rahmens stattfindenden – Begegnung von Shoahüberlebenden mit Zuhörern aus der 2. bzw. 3. Generation: Sie wird als erfolgreich gewertet, wenn bei den Zuhörenden ein (durchaus nicht rein kognitiver) Verstehensprozess ausgelöst wird, der sich mit den (meist recht rational definierten) Erwartungen des Erzählenden vereinbaren lässt.
Die Bezugsdimension dieser Begegnung ist gleichsam horizontal angelegt, sie findet zwischen dem Erzählenden und dem Zuhörenden statt. Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich schreibe dieser Vermittlungsebene eine zentrale Rolle beim (lebenslangen) Prozess des Aufbaus geschichtlichen Verständnisses zu. Sie bildet den Kern unserer jahrelangen fruchtbaren Zusammenarbeit mit den Überlebenden, deren Texte in diesem Newsletter publiziert werden.
Ehud Loebs Text „Goldenes Haar“, verfasst im Jahr 1998, steht ausdrücklich nicht in dem oben beschriebenen dialogisch-horizontalen Mitteilungsverhältnis. Sie ist vielmehr aus der Notwendigkeit heraus entstanden, sich als Überlebender der eigenen Geschichte zu stellen. Dies bedeutet den stetigen Versuch, sich in einer Weise auf das dieser Geschichte innewohnende Trauma zu beziehen, die ein Leben mit ihm möglich macht. Dabei kann es nicht darum gehen, die historischen Ereignisse zu beschreiben. Die Beschaffenheit des Traumas selbst macht es unmöglich, in sprachliche Formeln gefasst und durch sie mitgeteilt zu werden – schon allein deshalb, weil es sich, wie im Falle Ehud Loebs, nicht in dem Augenblick kristallisiert, in dem eine Mutter sich gezwungen sieht, ihr lang ersehntes, spät geborenes und einziges Kind innerhalb weniger Augenblicke in fremde Hände zu geben und es einer unvorhersehbaren Zukunft auszusetzen, die dem schützenden Einfluss der Eltern entzogen ist.
Diesen kumulativ dramatischen Minuten gingen sowohl für die Mutter als auch für deren Sohn (im weichen Alter von bis zu sieben Jahren) unzählige Manifestationen traumatischer Ausgrenzungserfahrungen voraus. Das Weiterleben des Kindes, ermöglicht durch den heroischen Entschluss der Mutter zur Trennung, war zudem fortan geprägt von der ständigen Hoffnung auf eine Rückkehr zu den Eltern (die sich jedoch nie erfüllen sollte), und von der grundlegenden Erfahrung der Verlassenheit, von dem Gefühl, „...noch nicht einmal einen Schatten ]zu haben], auf den ich mich verlassen konnte,“ wie Ehud Loeb selbst in einer seiner Kurzgeschichten formuliert. (Ehud Loeb, Ein geborgter Schatten, in: Im Versteck. Die Geschichte einer Rettung, ISHS/Yad Vashem 2012, S. 48)
Der heranwachsende und schließlich erwachsene Ehud Loeb kann sich also beim Bearbeiten seines Traumas nicht auf ein punktuelles, zeitlich umgrenztes und klar beschreibbares Erlebnis beziehen. Sein Weiterleben nach der Trennung von den Eltern bedeutet unzählige Neuanfänge, weitere Trennungen und Ungewissheiten, mehrmals die klar vor den Augen des Kindes stehende Alternative Tod oder Leben, sowie, nach 1945, die langsam sich verdichtende Erkenntnis, dass seine engere und weitere Familie nahezu vollständig in der Shoah ermordet wurden.
Die Geschichte „Goldenes Haar“ beschreibt die Unmöglichkeit, diese Sorte von Vergangenheit gleichsam in einer Zeitkapsel isoliert abzuspeichern und nur in bestimmten Momenten, etwa während eines Zeitzeugengesprächs, hervorzuholen. Die Lebensrealität dessen, der nach dem Überleben lebt, wird hier in all ihrer Brüchigkeit gezeigt: Einfache Alltagshandlungen wie beispielsweise das Betreten eines Schreibwarenladens reißen oft völlig unvermittelt die Realität des Genozids auf und führen denjenigen, der sie erfahren hat, gewaltsam in seine damaligen Wahrnehmungen zurück. Solche offensichtlich nicht wirklich steuerbaren Rückführungen treffen den erwachsenen Ehud Loeb oft, auch unter der Sonne Israels, mit aller Wucht. Sie werden ausgelöst durch oft banale Alltagskonstellationen wie etwa den Anblick einer Frau mit rotblondem Haar. Sie dringen in intimste Erlebnisse wie die Geburt des ersten Kindes vor, bewegen den bald 80-Jährigen bis heute zu Tränen, und strahlen aus bis in die dritte Generation. Die Reaktion des gleichsam Überfallenen hat oft rein irrationale Züge und ist durch keine Strategie reglementierbar.
Der Text ist also nicht dialogisch-horizontal angelegt. Er möchte nichts von der Vergangenheit vermitteln. Er dient einzig dem, der ihn sich abgerungen hat, der diese Vergangenheit überlebt hat und seitdem mit ihr lebt. Seine Bezugsdimension verläuft vertikal, im Ausloten des eigenen Schmerzes im Umgang mit dem erlittenen Trauma.
Bleibt noch eine dritte Ebene: die des Textes per se, der nun durch seine Veröffentlichung aus beiden Dimensionen – der dialogisch-horizontalen wie auch der introvertiert-vertikalen – herausgelöst wurde.
Wie in der Einleitung zu diesem Newsletter hervorgehoben wird, ist es unser Anliegen, die Realität des Lebens nach dem Überleben der Zeitzeugen in die Wahrnehmung unserer Leserinnen und Leser zu rücken. Der Text „Goldenes Haar“ wird (auf ausdrücklichen Wunsch des Autors mit einem kontextualisierenden Vorwort) als authentischer Einblick in diese Realität hier zugänglich gemacht, allerdings ohne sich der Illusion hinzugeben, dass für den heutigen, außenstehenden Leser tatsächlich versteh- und nachvollziehbar sei, was in schmerzhafter Trauerarbeit nur für sich selbst zu Papier gebracht wurde.
Der Text kann jedoch als Kontrast zu jenen Versuchen gelesen werden, unsere Gegenwart gegen die Vergangenheit „zu imprägnieren“ und mit Schlagwörtern wie „Wiedergutmachung“, Schlussstrich“, „Abschließen“, „Jetzt-muss-es-aber-auch-gut sein“ die Wirksamkeit dieser Vergangenheit aus unserer Gegenwart zu verbannen – dies nicht zuletzt auch im Hinblick darauf, dass sich unsere Leserinnen und Leser mehrheitlich in einem Umfeld der 2. und 3. Generation in ehemaligen Täternationen bewegen, in dem sie gerade als Pädagogen immer wieder mit solchen Tendenzen konfrontiert werden.
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