Sonntag bis Donnerstag: 9.00-17.00 Uhr Freitags und an den Abenden vor einem Feiertag: 9.00-14.00 Uhr
Yad Vashem ist an Samstagen und jüdischen Feiertagen geschlossen.
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Hava Wolf wurde 1932 in Wijnitz in der Bukowina geboren. 1939 wurde sie eingeschult, kurz darauf aber, wie alle anderen jüdischen Kinder, vom Schulbesuch ausgeschlossen. Als 1941 die Deportationen begannen, wurde die Familie zuerst in ein Ghetto in Transnistrien gebracht, von wo sie auf endlose Transportmärsche unter schrecklichen Bedingungen geschickt wurden. Hava Wolf und ihre Familie überlebten den Holocaust. Hava immigrierte 1947 nach Israel, wo sie heute als Künstlerin lebt. Sie ist mit Shimshon Wolf verheiratet und hat eine Tochter, Hedva Wolf-Ben Moshe. Im folgenden Artikel erzählt Hedva Wolf-Ben Moshe welche Auswirkungen die traumatischen Erlebnisse ihrer Eltern auf ihr Leben gehabt hat und wie sich ihr Leben, als Tochter von Shoah-Überlebenden, gestaltete.
Von Hedva Wolf-Ben Moshe
Ich heiße Hedva Ben Moshe und bin 60 Jahre alt. Meine Eltern stammen beide aus Rumänien und haben die Shoah überlebt. Meine Mutter, Hava Wijnitzer-Wolf, überlebte die Hölle von Transnistrien und mein Vater, Shimshon Wolf, überlebte den Horror von Auschwitz. Nach Kriegsende wanderten meine Eltern nach Israel aus, wo sie eine Familie gründeten. Ich bin die Älteste von drei Töchtern. Der Überlebensbericht meiner Mutter wird in Yad Vashem aufbewahrt. Meine Mutter engagiert sich zudem in Yad Vashem und erzählt Soldaten, Schülern und Lehrern ihre persönliche Geschichte.
Ich möchte mich in diesem Aufsatz auf meine persönliche Geschichte konzentrieren - aus der Perspektive der Zweiten Generation von Shoah-Überlebenden.
Wenn ich an das Haus denke, in dem ich aufgewachsen bin - das Haus zweier Shoah-Überlebender - so mag es überraschen, dass meine Eltern dort nicht über die Shoah gesprochen haben. Sie erwähnten die Shoah nie, mit keinem einzigen Wort, nicht einmal ab und zu, es wurde einfach nie darüber gesprochen. Es ist sonderbar, wie das Schweigen über die Shoah ihre Präsenz geradezu verstärkt hat. Es war eine geradezu ohrenbetäubende Stille und ich lebte mit dem Gefühl, dass unter dem normalen Leben, das wir herzustellen versuchten, etwas Unverstandenes und Unerklärliches brodelte. Als ich älter wurde und in der Lage war mit meinen Eltern über die Shoah zu sprechen, begriff ich, dass sie das Thema Shoah weggesperrt und hinter Schloss und Riegel fest verriegelt hatten, um ein normales Leben führen zu können. Sie versuchten, den Schrecken zu vergessen und wie jede andere „normale“ Familie zu leben, ihre Kinder in Liebe großzuziehen, die kleinen und großen Freuden des Lebens zu genießen, anstatt dieses Leben in den düsteren Farben der Shoah zu zeichnen. Viele Jahre später erklärte mir meine Mutter, dass sie verrückt geworden wäre, wenn sie das Thema nicht so tief begraben hätte. Nach außen hin lebten wir ein normales Leben, aber der Horror der Shoah lässt sich nicht so einfach wegschließen. Die Seelen meiner Eltern waren verletzt und schmerzten. Da es für Seelenschmerzen keine Heilung gab, konnte man ihre Schreie im Schlaf hören und ihre Wut, Nervosität und Unruhe im alltäglichen Leben spüren. Mutter hatte Alpträume; einer davon handelte von einem Schwamm, der in ihrem Mund steckte und immer größer wurde, sodass sie an ihm erstickte. Vater bekam völlig unvermittelt Wutausbrüche. Oft gingen die beiden mit ausdruckslosen und traurigen Gesichtern in der Wohnung umher. Nie erhielten sie eine psychische Behandlung, nie konnten sie den Schmerz, in dem ihre Seele gefangen war, loslassen und verarbeiten, was sie durchgemacht hatten.
Genauso wie über die Shoah nie gesprochen wurde, gab es noch andere Themen, die ein Tabu darstellten. Dies war eine Generation, die nicht sprechen konnte. Viele Themen wurden auf diese Weise in Schweigen gehüllt. Zu jener Zeit in der ich heranwuchs, gab es weder Fernsehen noch Internet. Eltern konnten von ihren Kindern Wissen fernhalten, das ihnen heute durch die Medien zugänglich ist und so eine Welt nach ihrem eigenen Verständnis für sie schaffen. Ich wuchs abgeschirmt von der wirklichen Welt und von allen bösen Dingen auf, die in der Welt geschahen. Meine Eltern bemühten sich, uns nur die guten Seiten im Leben zu zeigen, Optimismus auszustrahlen und alles Schlechte fernzuhalten. Sie versuchten uns davor zu beschützen, Böses zu erfahren und kennenlernen zu müssen. Ich glaube, dass ich erst in den Jahren, als ich schon fast erwachsen war, mein Studium an der Universität anfing und nicht mehr Zuhause wohnte, anfing, die wahre Welt kennenzulernen. Bis dahin war ich naiv und unschuldig. Ich denke, dass mich diese Eigenschaften bis heute bestimmen. Von Natur aus bin ich optimistisch und glaube an das Gute im Menschen.
Meine Eltern hatten keine Kindheit und sie setzten alles daran, dass wir eine gute Kindheit haben würden. Beide waren sehr begabt, aber aufgrund der Shoah konnten sie kein Studium absolvieren. Lernen war bei uns Zuhause daher besonders „heilig“. Es war meinen Eltern wichtig, dass ihre Töchter gute Schülerinnen sind und später an der Universität studieren würden. Um uns eine bessere Ausbildung zu ermöglichen, sparten sie jeden Groschen. Vater las uns immer Bücher vor, erklärte alles bis ins kleinste Detail, stellte Wissensfragen und brachte uns Dinge bei. Beide waren so stolz, dass wir alle drei gute Schülerinnen waren. Mein Leben lang hörte ich nie auf zu lernen und sogar heute, mit 60 Jahren, stehe ich kurz vor dem Abschluss meiner Doktorarbeit. Ich bin sicher, dass ich meine Liebe und Ausdauer zum Lernen von Zuhause mitbekommen habe. Ich wusste, dass es meine Eltern glücklich machte, wenn ich gut lernte - und das habe ich mein ganzes Leben lang beibehalten, auch nachdem ich selbst bereits eine Familie gegründet hatte.
Ein weiterer typischer Charakterzug meines Zuhauses, der meiner Ansicht nach mit der Shoah zusammenhängt, waren die Sorge und große Befürchtungen um meine Gesundheit und überhaupt um alles, was ich tat. Ich konnte Zuhause nicht atmen. Meine Eltern überwachten jeden kleinsten Schritt, den ich tat. Ich musste immer Rechenschaft darüber ablegen, wohin ich ging und wann ich zurückkommen würde. Wenn ich mich auch nur ein wenig verspätete, waren beide in großer Sorge. Im Allgemeinen war es ihnen lieber, wenn ich nicht allzu viel draußen unterwegs war, auf keine Ausflüge mitging und so oft wie möglich bei ihnen Zuhause war. Einmal hatte ich einen Freund, den sie nicht mochten und dem sie nicht vertrauten. Sie engagierten einen Privatdetektiv, um herauszufinden, ob es für mich sicher war, mit ihm auszugehen. Zudem herrschte im Hintergrund immer die Sorge um meine Gesundheit – „Pass auf dich auf“, „Erkälte dich nicht“, „Geh nicht raus bei dem Wind“. Am nachdrücklichsten aller Warnungen war die vor Zugluft. Beim leichtesten Windhauch sprachen sie von Zugluft, in der ich mich erkälten würde. Dieses Verhalten, mich stets zur Vorsicht zur mahnen und mir immer einzuschärfen auf mich aufzupassen, war ein sehr deutliches Merkmal meiner Kindheit.
Die Sorge meiner Eltern bezog sich auch auf das Thema Essen. Es war meinen Eltern wichtig, dass ich gut und viel aß. Ich musste aufessen, was auf meinem Teller lag und immer wurde mir noch mehr angeboten. Auch Süßigkeiten und Schokolade stopften sie andauernd in mich hinein. Natürlich führte dieses Füttern dazu, dass ich dick wurde und den Mechanismus von Hunger und Sättigung nicht mehr wahrnehmen konnte. Viele Jahre litt ich unter dem Problem der Dickleibigkeit, ich aß zu viel, ohne ein Gefühl für meinen Körper und meine Bedürfnisse zu haben. Essen war ein Ausdruck von Liebe. Mutter kochte frisches und gutes Essen und war stolz auf die Mahlzeiten, die sie für uns zubereitete. Mutter hatte Schwierigkeiten ihre Liebe auf natürliche Art und Weise zum Ausdruck zu bringen, etwa durch eine Umarmung oder durch Sätze wie „Ich liebe dich“. Aus diesem Grund war das ständige Füttern für sie ihre Art uns zu lieben.
Eine weitere typische Erscheinung, die wohl mit der Shoah zu tun hatte, war eine Art Instabilität, vor allem bei meiner Mutter. Alles, was wir fürs Haus kauften, Dinge oder Kleidungsstücke, tauschte sie nach dem Kauf wieder um. Mutter war nie mit etwas zufrieden. Immer fand sie irgendeinen Makel und immer dachte sie, dass man etwas Besseres und Funktionaleres hätte kaufen können. Jahrelang versuchte ich meine Mutter zufrieden zu stellen, die verletzt war, die im Grunde ihre Kindheit und Jugend verloren hatte und diese zurückhaben wollte. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte sie auch ihr „neues“ Leben umgetauscht, aber sie konnte nur Kleider und Haushaltsgeräte umtauschen.
Wenn ich über meine Kindheit und über meine Eltern als Shoah-Überlebende nachdenke, wird mir klar, dass mich die Tatsache, dass sie nicht mit mir darüber gesprochen haben, am stärksten geprägt hat. Das Schweigen, das um die Shoah und um viele andere Themen, die mit Emotionen verbunden sind, aufgebaut wurde, ließ mich zu einer rationalen jungen Frau werden, die sich mit Wissenschaft beschäftigte. Viele Jahre war ich gefühlsmäßig überhaupt nicht mit mir selbst verbunden und es fiel mir schwer Emotionen zum Ausdruck zu bringen. In der Schule und meiner gesamten Jugendzeit war ich ein stilles, schüchternes und unsicheres Mädchen. Ich habe in der Klasse nie gesprochen und nie hatte ich den Mut, meine Meinung zu einem bestimmten Thema zu äußern. Über viele Jahre hinweg übertrug ich auf meine eigene Familie das Kommunikationsmodell, das ich Zuhause kennengelernt hatte - die Unfähigkeit zu reden, die Unfähigkeit schwierige Dinge anzunehmen und den Versuch eine gute, aber wirklichkeitsfremde Welt zu erschaffen. Mit den Jahren begann ich an mir zu arbeiten. Ich besuchte Kurse und ging zum Psychologen. Ich lernte meine Seele kennen, erreichte ein höheres geistiges Level und begann meine Welt und die Welt, in der ich groß geworden bin, zu verstehen. Dieser Prozess der Heilung befreite mich von dem Shoah-geplagten Haus, in dem ich aufwuchs.
Meine Eltern sind heute über 80 Jahre alt. Etwa vor 20 Jahren begannen auch sie bestimmte Entwicklungsprozesse zu durchlaufen. Meine Mutter begann zu malen und den Schmerz der Shoah mithilfe des Pinsels auszudrücken. Außerdem begann sie, ihre Geschichte jedem zu erzählen, der sie hören wollte. Obwohl ihre Shoah-Geschichte erst im hohen Alter aus ihr heraus strömte, scheint es, als würde sie dadurch eine schwere Last ablegen. Sie empfindet es als ihre Aufgabe, von der Shoah zu erzählen. Beinahe zur selben Zeit begann mein Vater sich der Religion zuzuwenden und fand die Ruhe, die er suchte, im Gebet und im Glauben an den Schöpfer. Vater erzählt immer noch nicht von sich aus von der Shoah, nur wenn wir ihn darum bitten.
Heute sind mir die unterschiedlichen Seiten des Hauses, in dem ich heranwuchs, bewusst. Ich empfinde eine tiefe Liebe und Wärme gegenüber meinen Eltern und all den Fehlern, die sie in meiner Erziehung gemacht haben. Ich bewundere unendlich diese beiden Menschen, die aus dem Feuer gezogen wurden, verwundet und zerschmettert und ein Grauen erlebt haben, welches das menschliche Gehirn nicht fassen kann, und dennoch siegten. Sie siegten insofern, als sie dafür kämpften, eine Familie aufzubauen und uns großzuziehen - auf die beste Art und Weise, die sie kannten. Diese Zärtlichkeit und dieses Verständnis empfinde ich heute, als erwachsene Frau. Aber als Mädchen im Hause von Shoah-Überlebenden war das Leben nicht einfach.
In Zukunft möchte ich mich aktiv im Feld der Zweiten Generation nach der Shoah betätigen.
Übersetzung aus dem Englischen: Dr. Noa Mkayton
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