Sonntag bis Donnerstag: 9.00-17.00 Uhr Freitags und an den Abenden vor einem Feiertag: 9.00-14.00 Uhr
Yad Vashem ist an Samstagen und jüdischen Feiertagen geschlossen.
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Yad Vashem ist an Samstagen und jüdischen Feiertagen geschlossen.
Als Filmliebhaber und Filmhistoriker ist das Visual Center in Yad Vashem einer meiner bevorzugten Orte. Bei jedem Besuch führt mich mein Weg zunächst in den großen Saal mit den vielen Computerstationen, an denen sich mittlerweile ein Großteil aller jemals über den Holocaust produzierten Filme, anschauen lässt. Wenn ich die Zeit habe, an einem der Terminals neue und alte Filme zu sichten, dann sitze ich am liebsten an jenem Platz in der linken hinteren Ecke, der dem Berliner Filmproduzenten Artur Brauner gewidmet ist. Unter Plakaten von Filmen wie „Hitlerjunge Salomon“ oder „Der Zug“ wird erst richtig deutlich, welch großen Anteil Artur Brauner an dem unermüdlichen Versuch hat, mit Hilfe des Mediums Film die Erinnerung an die Shoah wachzuhalten. Das gilt für die zahlreichen Filmproduktionen, die Brauner seit 1947 in Deutschland und international über diese schreckliche Epoche unserer Geschichte realisiert hat. Das zeigt sich aber auch in seiner langjährigen Unterstützung der Arbeit des Visual Centers in Yad Vashem, das israelischen und internationalen Besuchern, Forschern, Wissenschaftlern und Filmemachern als einzigartige Quelle für (film-) historische Recherchen dient.
Es war auf einem meiner ersten Besuche auf der Berlinale, im Jahr 2003, als ich Artur Brauner das erste Mal begegnete. Zuvor hatte sein Film „Babij Jar“ Premiere gehabt, ein sehr direkter, nahezu schockierender Film über die Massenerschießungen von Juden bei Kiew. Nach der Vorführung betonte Brauner, wie wichtig es ihm gewesen sei, dass dieser Film die Naziverbrechen ungeschminkt zeige und den Schrecken bis zur Grenze des Erträglichen nachstelle. Mir, und sicher auch vielen anderen Zuschauern, wurde dadurch deutlich, dass sich die filmische Erinnerung an die Shoah nicht hinter symbolischen Bildern und Geschichten mit Happy End verstecken lässt. Sie bleibt eine verstörende Vergangenheit, auch wenn wir, wie Brauner es in vielen seiner Filme versucht hat, immer wieder neue Zugänge zu dieser Vergangenheit finden müssen.
Der verstörende Eindruck, den „Babij Jar“ damals bei mir hinterließ, erinnerte mich an einen anderen von Brauners Filmen, dem ich zufällig im Jahr 2001 auf einer Konferenz über den Holocaust im Spielfilm begegnet bin: „Zeugin aus der Hölle“. Der Film erzählt von einer Überlebenden, die nach Deutschland zurückkehrt, um als Zeugin in einem NS-Prozess auszusagen. Dort wird sie von ihren Erinnerungen überwältigt, die sie in Träumen und Visionen heimsuchen. Ausgelöst werden diese traumatischen Rückblenden durch antisemitische Drohanrufe, die die Zeugin einzuschüchtern versuchen. Selten habe ich einen solch eindringlichen Film über dieses Thema gesehen und es ist wohl leider nicht verwunderlich, dass diese schonungslose Anklage der Verdrängung in der Bundesrepublik beim zeitgenössischen Publikum auf Abwehr stieß.
Brauner war bereits damals, in den 1960er Jahren, ein erfolgreicher, wenn nicht sogar der erfolgreichste Filmproduzent in der Bundesrepublik. Im Internetlexikon Wikipedia stehen rund 120 Einträge von Filmen unter seinem Namen und sofort fällt auf, dass in dieser Liste sogar einige wichtige Filme fehlen. Manche seiner Produktionen wurden, wie die Winnetou- und Old Shatterhand-Filme zu Publikumslieblingen, andere, wie „Der 20. Juli“ stießen wichtige Debatten in der Bundesrepublik an und viele wie „Die Ratten“ oder „Es geschah am helllichten Tag“ gelten heute als deutsche Filmklassiker.
Als Filmhistoriker kann man eine solche Leistung nur bewundern, umso mehr, da die Auseinandersetzung mit dem Holocaust von Anfang an eine zentrale Rolle spielte. Bereits 1948, nur wenige Jahre nach Kriegsende, produzierte Brauner einen ersten Spielfilm, der das Grauen der Lager und das Leben im Versteck thematisierte. „Morituri“ ist bis heute ein stilprägender Film und es ist kaum vorstellbar unter welch abenteuerlichen Bedingungen dieser Film realisiert wurde, so kurz nach dem Ende der Verfolgung, der Brauner selbst nur knapp entkam, in einer ihm noch unbekannten Stadt, dem besetzten Berlin, unter Deutschen, die die Verbrechen, die in Mitwisser- und teilweise auch Mittäterschaft begangen worden waren, so schnell wie möglich vergessen wollten. Beeindruckend ist schon die Anfangssequenz des Films, der Ausbruch aus einem Lager, das Brauner in der Nähe von Berlin nachbauen ließ. Um den Dreh möglichst realistisch erscheinen zu lassen, wurde von den Statisten, die aus einer sowjetischen Kaserne kamen und deutsche Wachmannschaften spielten, teilweise scharf geschossen.
In der Mitte des Films gibt es eine weitere denkwürdige Szene. Die im Wald Versteckten nehmen einen jungen deutschen Soldaten gefangen und machen ihm den Prozess. Für einen Moment blendet die Szenerie im Wald zu einer imaginären Gerichtsverhandlung über. In dieser Szene geht es um die Grundfragen, die uns noch heute bei der Auseinandersetzung mit dem Holocaust beschäftigen: um Schuld, um Rache, um die Erinnerung und um die Entscheidung, einen anderen Weg einzuschlagen.
Die Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungen spielt heute für die Beschäftigung mit der Shoah in der Schule und mit Jugendlichen eine große Rolle. Das hat Brauner in seinen Filmen schon früh erkannt. Darum wollte er gerade keine Anklagefilme machen, sondern ein Publikum erreichen, das zunächst erst einmal zögerlich auf diese Geschichte reagierte. In vielen Filmen ist dies gelungen, weil sie Figuren zeigen, die sich in Extremsituationen behaupten müssen, so wie der jüdische Junge in „Hitlerjunge Salomon“, der mit falscher Identität mitten im Hort nazistischer Erziehung überleben muss.
Bis heute ist es unverständlich, warum dieser international so erfolgreiche Film von der Bundesrepublik nicht für die Oscars nominiert worden ist. Artur Brauner hat solche Ignoranz und auch die Ablehnung von Stoffen über den Holocaust leider viel zu oft erleben müssen und trotzdem weitergemacht, weil ihm bewusst war, dass gerade Filme eine bedeutende Rolle für die Entwicklung des Geschichtsbewusstseins spielen und er mit seinen Filmen das Publikum in der Bundesrepublik auch mit der jüdischen Perspektive auf den Holocaust bekannt machen wollte. Ganz nebenbei war Brauner damit auch ein wichtiger Wegbereiter für die Kooperation mit der jungen Filmindustrie in Israel.
2011 saß ich in einem kleinen Kinosaal der Jerusalemer Cinemathek, während nebenan im Sultans-Pool, am Fuße der Altstadt, das internationale Filmfestival eröffnet wurde. Gespielt wurde der Film „Wunderkinder“, eine von Brauners jüngsten Produktionen. Die meisten Besucher waren älter als ich. Einige waren vielleicht aus Deutschland geflohen oder hatten die Verfolgung selbst überlebt. Am Ende des Films war es still und danach gab es viele positive Nachfragen. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich noch nicht wissen, dass „Wunderkinder“ mit dem Avner-Shalev-Award von Yad Vashem ausgezeichnet würde. Und als ich den Film im Januar 2012 auf dem Paul Spiegel Filmfestival in Düsseldorf zeigte, war der Saal ausverkauft. Die Zuschauer waren von „Wunderkinder“ begeistert. Das hat noch einmal verdeutlicht, wie wichtig diese Art von Filmen ist, um Menschen zu erreichen und sie anzustoßen, sich mit dieser Zeit zu beschäftigen.
Die Laudatio für Artur Brauner wurde am 20. Juni 2013 auf der Mitgliederversammlung des Freundeskreises Yad Vashem in Deutschland gehalten.
Dr. Tobias Ebbrecht-Hartmann unterrichtet Film - und German Studies an der Hebrew University in Jerusalem und kuratiert das Paul-Spiegel-Filmfestival Jüdische Welten in Düsseldorf. Seine Studie „Geschichtsbilder im medialen Gedächtnis - Filmische Narrationen des Holocaust“ ist 2011 im Bielefelder transcript-Verlag erschienen.
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