Sonntag bis Donnerstag: 9.00-17.00 Uhr Freitags und an den Abenden vor einem Feiertag: 9.00-14.00 Uhr
Yad Vashem ist an Samstagen und jüdischen Feiertagen geschlossen.
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Sivan Ben Moshe
Diesen Text widme ich meinen Großeltern, Hava und Shimshon Wolf, die mir Kraft, Hoffnung und ihren Überlebenswillen als Geschenk für mein Leben mitgegeben haben.
Ich gehöre der dritten Generation an.
Leute in meinem Alter verbinden den Begriff „Dritte Generation“ mit Mobiltelefonen. Für mich umschreibt „Dritte Generation“ in zwei Worten einen wesentlichen Bestandteil meiner Identität.
Die Geschichte meines Lebens beginnt sehr viel früher als vor 27 Jahren. Sie setzt vor mehr als 70 Jahren in Rumänien ein, verläuft über Polen und Zypern nach Israel. Zu meiner Lebensgeschichte gehören Ghettos, Lager und Wälder. Sie umfasst Schmerz, Verlust und Hoffnung. Meine Großeltern, Hava und Shimshon Wolf, die Eltern meiner Mutter, haben die Shoah überlebt. Der Vater meines Vaters, Azriel Ben Moshe, hat die Shoah zwar nicht selbst durchgemacht, aber er hat seine gesamte Familie damals verloren.
Als ich im Gymnasium war, fuhr ich mit der Schule nach Polen. Ich stand auf den Bahngleisen am Eingang von Auschwitz, und in meiner Phantasie blickte ich 60 Jahre zurück. Vor 60 Jahren stand genau an der Stelle, an der ich nun stand, mein Großvater. Voller Angst, durchgefroren, hungrig. Hier sah mein Großvater seine Familie zum letztenmal, wenige Augenblicke bevor sie durch die grausame Selektion voneinander getrennt wurden. Da stand ich, eine Bürgerin des Staates Israel, kurz vor dem Beginn meines Militärdienstes bei der israelischen Armee, frei von jeder Angst. Die Umstände, unter denen mein Großvater und ich hier standen, könnten nicht unterschiedlicher sein. Aber gleichzeitig fühlte ich mich meinen Großeltern in diesem Augenblick näher denn je. Denn erst nachdem ich all diese bedrohlichen Orte besucht hatte, die die Kindheitslandschaften meiner Großeltern darstellten, gelang es mir, sie zu verstehen. Oder vielleicht verstand ich sie im Grunde noch weniger. Durch die Geschichte meiner Großeltern habe ich gelernt, das Leben immer wieder neu zu schätzen, die Dinge im Verhältnis zu sehen, und zu verstehen, was wirklich wichtig ist.
Als ich noch zur Schule ging, dachte ich daran, wie sie meine Großmutter aus der Klasse geworfen hatten, weil sie sich geweigert hatte, am Schabbat zu schreiben1 - und das, obwohl sie Klassenbeste war. Eine Schulausbildung ist keine Selbstverständlichkeit.
Meine Großeltern waren eingesperrt, sie waren Gefangene in den Lagern, Ghettos und Wäldern. Nachdem mein Großvater nach Israel gekommen war, sperrte man ihn erst einmal für elf Monate in ein Internierungslager auf Zypern. Auch Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit.
Meine Großmutter erzählt mir über die Kindheit, die sie nicht hatte, über die Puppe, die sie zuhause zurücklassen musste. Sie hat sich mit über 70 Jahren eine Puppe gekauft. Ich hatte eine glückliche Kindheit, und bis heute besitze ich Kisten mit Dutzenden von Puppen. Meine Puppen sind auch ihre Puppen, und im Grunde ist meine Großmutter noch immer ein Mädchen, genau wie ich. Kindheit ist keine Selbstverständlichkeit.
Meine Großmutter wanderte nach all den Gräueln der Shoah in Israel ein. Hier wartete sie auf ihre Eltern, die kurze Zeit später nachkommen sollten. Anfangs wartete sie auf sie, sie lebte von Tag zu Tag, schrieb ihnen Briefe und zählte die Wochen und Monate, die vergingen. Später hörte sie auf, zu warten. Sie kamen 17 Jahre später nach Israel. Anstelle ihres Mädchens fanden sie eine erwachsene, verheiratete Frau mit drei Töchtern vor. Immer wenn ich meine Mutter anrufe, um mir einen Rat von ihr zu holen, und jedesmal wenn ich zu meinen Eltern fahre, um mit ihnen gemeinsam zu essen, denke ich an diese Geschichte. Und dann wird mir wieder klar, dass es nichts gibt, was selbstverständlich ist.
Meine Großeltern sind für mich die Quelle meiner Inspiration. Wenn ich auf Schwierigkeiten in meinem Leben stoße, denke ich an die Kraft, die sie aufbrachten, um über all die furchtbaren Dinge, die sie durchmachen mussten, hinwegzukommen, nach Israel zu gehen und sich hier ein gewöhnliches, normales Leben aufzubauen. Mein Großvater fand Antworten im Glauben. Er ist Vorsitzender einer Synagogengemeinschaft und besitzt hohes Ansehen. Meine Großmutter fand Antworten im schöpferischen Bereich. Sie schreibt Gedichte und malt Bilder in den Farben der Kindheit, die sie nicht hatte, und auch sie genießt breite Wertschätzung. Vor kurzem war israelischer Holocaustgedenktag. Meine 82jährige Großmutter fuhr drei Tage lang kreuz und quer durch das Land von einem Vortrag zum nächsten, immer mit dem einen Ziel: ihre Geschichte zu Gehör zu bringen. Auch ich, in der dritten Generation, spüre, dass es mir auferlegt ist, ihre Geschichten weiterzuerzählen.
Der Vater meines Vaters verlor seine gesamte Familie in Treblinka. Auf seinem Grabstein steht eingemeißelt: „Im Andenken an meine Eltern und Geschwister, die in der Shoah ums Leben gekommen sind. Der Herr möge ihr Blut rächen.“ Wenn ich an sein Grab gehe und an ihn denke, denke ich auch an sie, obwohl ich sie nie kennengelernt habe.
Ich gehöre zur dritten Generation. Bestimmte Verhaltensweisen von Shoah-Überlebenden haben sich auf mich übertragen. Ängstlichkeit gehört zum Beispiel zu meinen herausragenden Eigenschaften, und immer habe ich in meiner Tasche etwas zu essen und Wasser – für alle Fälle. Angst und Schmerz, die ich von meinen Großeltern geerbt habe, stecken tief in meinen Knochen. Aber in meinen Adern strömt die Kraft, die sie haben, und mein Herz, Quelle der Hoffnung, verlangt nach demselben wie sie: Leben.
Übersetzung aus dem Hebräischen: Noa Mkayton
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