Sonntag bis Donnerstag: 9.00-17.00 Uhr Freitags und an den Abenden vor einem Feiertag: 9.00-14.00 Uhr
Yad Vashem ist an Samstagen und jüdischen Feiertagen geschlossen.
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Deutsch-jüdische Lebenswege wie das von Isaak Winkler lassen sich viele recherchieren und dokumentieren: Geboren 1859, wurde Isaak Winkler als Metzger in Ibbenbüren ansässig. Ab 1933 lief das Geschäft schlechter, immer weniger Ibbenbürener kauften bei ihm ein. 1935 kam es zu vermehrten Boykottaktionen, die so weit reichten, dass Kunden fotografiert wurden, die sich noch trauten in seiner Fleischerei einzukaufen. Die Bilder wurden anschließend in sogenannten Stürmerkästen veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt gab es in vielen deutsch-jüdischen Organisationen noch ein gewisses Vertrauen in den deutschen Staat und dessen Behörden. Am 3. August 1935 erreichte den Landrat Dr. Meyer-Nieberg ein Schreiben des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. Darin wurden die Boykott-Aktionen gegen Metzger Winkler beklagt und Sanktionen gefordert: „Diese Eingriffe stehen in eindeutigem Gegensatz zu den wiederholten Erlassen der Reichsregierung (…) Nicht unerwähnt möchten wir lassen, dass nach uns zuteil gewordenen (sic!) Bericht der Metzger Winkler in Ibbenbüren den besten Ruf und ein grosses Ansehen geniesst (…)“ Von der zuständigen Behörde wurde der Brief mit dem internen Vermerk „Dann sollen sie doch auswandern!“ versehen. Zu diesem Zeitpunkt war Isaak Winkler bereits schwer krank, im Februar 1937 starb er. Pauline, die Frau seines Vetters, die ihn bis zu seinem Tod pflegte, kam am 15. Mai 1944 in Auschwitz um, nach der Deportation aus Theresienstadt.
Machtsicherung. Ausgrenzung. Verfolgung. Nationalsozialismus und Judenverfolgung in Ibbenbüren ist ein 2010 erschienener Dokumentationsband, in dem die Schicksale von Isaak Winkler, Pauline Winkler und vielen Weiteren beschrieben und mit zahlreichen Quellen illustriert werden. Diese Biographien werden als wesentlicher Bestandteil begriffen, um im Kontext einer lokalgeschichtlichen Publikation die NS-Zeit zu beschreiben. Dabei beschränkt sich der Band, erschienen in den Ibbenbürener Studien des Historischen Vereins Ibbenbüren, nicht nur auf die jüdischen Bürger in Ibbenbüren, sondern zeichnet ein breites, multiperspektivisches Bild von einer Stadt während des Nationalsozialismus. Akteure aus allen Gesellschaftsschichten, politischen Milieus und Religionen werden vorgestellt und ihre Lebenswege dargestellt. Damit wird die Dynamik sichtbar, die sich zwischen potenziellen Opfern, Tätern, Mitläufern und Zuschauern entwickelte. Zugleich werden durch die vielfältigen Reaktionen und Verhaltensweisen, die in diesem Band dokumentiert werden Handlungsspielräume und Alternativen sichtbar.
Einzelne Abschnitte werden relevanten gesellschaftlichen Institutionen gewidmet: etwa den Vertretern der Landeskirchen, sowie kirchlichen Jugend- und Laienvereinigungen, die in Ibbenbüren und Umgebung stark verwurzelt waren. Diverse Konflikte mit den örtlichen Parteiorganen sind in diesem Zusammenhang dokumentiert.
Anschaulich wird der Gleichschaltungsprozess in den alteingesessenen Vereinen und Verbänden dokumentiert. Die Vehemenz, mit der die Nationalsozialisten versuchten in diese Bereiche einzudringen, macht deutlich, wie wichtig dieser Bereich des Alltagslebens für eine Implementierung der nationalsozialistischen Ideologie in der Gesamtgesellschaft war. Die lokale nationalsozialistische Partei- und Vereinsstruktur wird ebenfalls beschrieben – etwa die örtlichen Verbände der Hitlerjugend und des Frauenbundes. Für die Generierung einer gemeinsamen „arischen“ Identität und eines „Wir-Gefühls“ innerhalb der Volksgemeinschaft waren diese Organisationen von wesentlicher Bedeutung.
Mitglieder oppositioneller Parteien waren – wie überall in Deutschland – die Ersten, die unter den Schikanen und der Willkür der Nazis zu leiden hatten. Unvermittelte Schutzhaft und die Einweisung in Konzentrationslager im angrenzenden Emsland waren die Folge. Auch diese Schicksale werden im Dokumentationsband eindringlich beschrieben.
Die Reichspogromnacht nimmt in der Geschichte des Nationalsozialismus und der Judenverfolgung in Deutschland eine Schlüsselrolle ein. Dementsprechend wird sie auch im Dokumentationsband eingehend besprochen. Der 9. November 1938 wird größtenteils mit Untersuchungsakten aus der Nachkriegszeit nachgezeichnet, in denen eine halbherzige Aufklärung der Ereignisse unternommen worden ist. Nachdem man die Vernehmungsprotokolle gelesen hat, verwundert es kaum noch, dass es zu keiner einzigen Verurteilung kam. Die Darstellungen, die in den Akten dokumentiert sind lassen eine sprachliche Analyse lohnend erscheinen. „Ich war nicht dabei an diesem Tag“, „Ich hab nur das getan, was man mir gesagt hat“ und „Ich hab noch versucht, Schlimmeres zu verhindern“ sind Formulierungen, die kontinuierlich in den Quellen auftauchen. Diese Protokolle aus den späten 1940er und frühen 1950er Jahren, beinhalten zahlreiche Kommentare wie zum Beispiel: „Wenn der Jude Joseph David aus Amerika heute behauptet...“ oder „...die sogenannte Verfolgungsnacht...“, und bieten interessante Einblicke in den deutschen Umgang mit dem Nationalsozialismus in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Der letzte Abschnitt widmet sich jüdischen Ibbenbürener Biographien. Hier liegt ein Schwerpunkt auf Flucht und Vertreibung während des Nationalsozialismus. Ergänzt wird die Dokumentation um einen recht deskriptiv gehaltenen Aufsatz von Rita Schlautmann-Obermeyer und Marlene Klatt, in dem ein Überblick über die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Ibbenbüren seit dem 14. Jhdt. gegeben wird.
In der lokalhistorischen Untersuchung dieses Dokumentationsbandes gelingt es am Beispiel des Mikrokosmos Ibbenbürens, die Gesellschaft einer deutschen Stadt in den 1930er Jahren in ihrer Breite darzustellen. In vielerlei Hinsicht sind die so gewonnenen Eindrücke übertragbar und bieten dadurch vielfältiges pädagogisches Potential.
Der häufig gewählte, konkrete biographische Zugang innerhalb des Bandes bietet die Möglichkeit einer Erarbeitung des Themas über Daten und Fakten hinaus. Bezüge lassen sich herstellen und schnell verknüpfen. Auch im Kontext des Schulunterrichtes wird häufig die Frage aufgeworfen, warum deutsche Juden denn nicht einfach emigriert seien und warum man denn nicht schon 1933 erkannt hätte, was passieren würde. Auf diese Diskussionen lässt sich am besten quellenbasiert reagieren: So wird etwa die starke Verbundenheit von Isaak Winkler zu seiner Heimatstadt Ibbenbüren oder das nach wie vor existierende Vertrauen des jüdischen Central-Vereins in ein für alle Bürger gleichermaßen urteilendes Rechtssystem in den hier abgedruckten Quellen deutlich.
Entstanden ist das Buch aus einem Schülerprojekt von zwei Ibbenbürener Gymnasien, anschließend durchlief es mehrere Professionalisierungsstadien, bis es in dieser Form veröffentlicht wurde. Diese Art von quellenintensiven, lokalhistorischen Studien sind ein großer Zugewinn für die historisch-politische Bildung – sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Kontext. Der Dokumentationsband lässt sich auf vielfältige Weise einsetzen. Dies wird unterstützt durch die Strukturierung und Aufmachung des Bandes, die eine leichte Orientierung ermöglichen. Kapitel werden eingeleitet von kurzen deskriptiven Texten, die einen Überblick über die allgemeine Situation in Deutschland geben. Dem folgt eine Beschreibung der Geschehnisse in Ibbenbüren, die häufig individuelle Schicksale als Ausgangspunkt nimmt. Besonders hilfreich für den Unterricht ist die großzügige Illustration mit gut lesbaren Abdrucken von Quellen, zeitgenössischen Fotografien, Plakaten, etc. Kernsätze sind in diesen Faksimiles vielerorts farblich hervorgehoben worden, so dass auch eine Orientierung innerhalb der Quellen erleichtert wird – gute Voraussetzungen für eigenständiges Arbeiten und Lernen.
Darüber hinaus schlägt der Band auch immer wieder Brücken in die heutige Zeit und erwähnt die Projekte und Zeichen der örtlichen und kommunalen Erinnerungskultur, wie etwa Mahnmäler und Straßennamen (beispielsweise gibt es heute in Ibbenbüren einen Isaak-Winkler-Weg).
Eines der wertvollsten Beispiele für kommunale Erinnerungskultur ist sicherlich dieser Dokumentationsband selber. Seine Entstehung im Kontext von produktorientiertem Unterricht ist darüber hinaus ein Beispiel für die gelungene Beteiligung von Schülerinnen und Schülern an diesem Prozess. Dieser Dokumentationsband aus Ibbenbüren steht beispielhaft für zahlreiche gute lokalhistorische Studien, die in Deutschland erarbeitet werden.
Lars Boesenberg, Jürgen Düttmann, Norbert Ortgies
Machtsicherung. Ausgrenzung. Verfolgung. Nationalsozialismus und Judenverfolgung in Ibbenbüren
Historischer Verein Ibbenbüren e. V.
Ibbenbüren 2010 (=Ibbenbürener Studien, Bd.6)
Das Buch kann über die VHS Ibbenbüren bestellt werden:
VHS Ibbenbüren
z. H. Herrn Dr. Erf
Oststrasse 28
49477 Ibbenbüren
Tel.: 05451 931769
oder über das Stadtmuseum Ibbenbüren bezogen werden:
Stadtmuseum Ibbenbüren - Breite Straße 9
49477 Ibbenbüren
stadtmuseum.ibbenbueren@web.de
Clara Mansfeld studiert Neuere und Neueste Geschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie Europäische Ethnologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. und ist derzeit als Praktikantin am German Desk der International School für Holocaust Studies, Yad Vashem beschäftigt.
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