Sonntag bis Donnerstag: 9.00-17.00 Uhr Freitags und an den Abenden vor einem Feiertag: 9.00-14.00 Uhr
Yad Vashem ist an Samstagen und jüdischen Feiertagen geschlossen.
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Yad Vashem ist an Samstagen und jüdischen Feiertagen geschlossen.
Die nationalsozialistischen Verbrechen an den Juden fanden nicht im Verborgenen statt. Neben schriftlichen Dokumenten und Aussagen von Zeugen ist uns auch eine große Zahl fotografischer Quellen aus der Zeit des Nationalsozialismus zugänglich, die uns insbesondere vom Geschehen an konkreten Orten erzählen können. Gemacht wurden solche Fotos zumeist von Tätern, Mitläufern und Zuschauern.
Die damals von ihnen gewählte Perspektive bestimmt damit zu einem Teil auch unsere Wahrnehmung mit. Gerade Fotografien aus jener Zeit werden heute noch ganz selbstverständlich als untrügliche Dokumente betrachtet, die die damaligen Ereignisse vermeintlich realitätsgetreu abbilden, und daher oft unkritisch reproduziert und inflationär als Illustrationsmaterial verwendet werden. Doch ein Foto kann nie ein vollständiges Bild von einem historischen Geschehen vermitteln. Es handelt sich nicht um ein getreues Abbild der historischen Wirklichkeit, sondern stellt lediglich einen bestimmten Ausschnitt und das Resultat einer Auswahl und Bearbeitung dar.
Dass sich Fotografien, auch diejenigen, die aus der Perspektive der Täter, Mitläufer und Zuschauer von der Ausgrenzung, Demütigung und Verfolgung der Juden während des Nationalsozialismus gemacht wurden, dennoch gut für die pädagogische Auseinandersetzung mit dieser Zeit eignen können, verdeutlicht eine von Christoph Kreutzmüller und Julia Werner entwickelte Handreichung zum Umgang mit fotografischen Quellen zur Verfolgung und Ermordung der Juden in Europa. Anhand von fünf überlieferten Fotoserien versuchen die beiden Autoren die vom Historiker Raul Hilberg herausgearbeiteten Entwicklungsstufen des Holocaust abzubilden und auf diese Weise mit der Handreichung und dem ausgewählten fotografischen Quellenmaterial eine Unterrichtseinheit zur Verfügung zu stellen, die sich sowohl für eine Gesamtbehandlung des Themas Holocaust als auch zur Ergänzung thematischer Schwerpunkte mit konkreten Einzelbeispielen eignet.
Dabei gehört es zum Anspruch und Ansatz der Handreichung, den spezifischen Charakter des Mediums Foto in den historischen Lernprozess zu integrieren und damit das Lernen über den Holocaust mit der Ausbildung medien- und bildreflexiver Kompetenzen zu verbinden. Die beiden Autoren entwickeln dazu ein Instrumentarium der Bild- und Fotoanalyse, das sich einerseits an der historischen Quellenkritik und andererseits an Formen der Medienanalyse orientiert. Der nachhaltige Einfluss von Fotografien auf die Ausbildung von Geschichtsbildern und die spezifischen Formen der Ikonisierung und Kanonisierung der Bilder vom Holocaust bilden dabei einen zentralen Ausgangspunkt, der auch bei der pädagogischen Arbeit mit historischen Fotografien beachtet werden sollte: „Einige Fotos des Judenmords sind mit besonders vielen Zuschreibungen überfrachtet, sie stehen dann für den Nationalsozialismus und seine Verbrechen schlechthin, das Abgebildete tritt fast völlig in den Hintergrund.
Diese Fotos wurden zu Ikonen.“ (S. 2)
Mit dem in der Handreichung vorgestellten quellenkritischen und kontextorientierten Umgang mit historischen Fotografien wollen sich die Autoren daher explizit von der zumeist geübten bloß illustrierenden Verwendung wie auch von der „gedankenlosen Wiederholung“ (S. 3) solcher Fotografien absetzen. Dabei betonen sie explizit den Mehrwert, den der Einsatz von Fotografien für das historische Lernen über den Holocaust haben kann. Die Fotos bieten nach Ansicht der Autoren zunächst einen „konkreten Gesprächsanlass“ und können auf diese Weise zum Ausgangspunkt einer „historischen Spurensuche“ werden (S. 3).
Desweiteren kann durch den konkreten und sichtbaren Bezug auf eher distanziert wahrgenommene Ereignisse der Vergangenheit eine emotionale Bindung hergestellt werden. Schließlich heben die Autoren auch die leichtere Zugänglichkeit von Fotografien gegenüber schriftlichen Quellen hervor.
Den Hauptteil der Handreichung bilden die in fünf Kapiteln vorgestellten historischen Fotoserien, welche in mehreren Schritten analysiert werden. Herkunft, Entstehung und Überlieferung werden zunächst soweit möglich rekonstruiert. Daran anschließend werden sie in den Kontext der historischen Ereignisse eingebettet. Danach folgt eine detaillierte Analyse der Fotografien und dessen, was in ihnen zu sehen ist. Den Ausgangspunkt bildet dazu jeweils das konkrete Foto. Zunächst steht die Beschreibung der abgebildeten Menschen, Orte und Handlungen im Mittelpunkt.
Durch den Vergleich mit weiteren Quellen, wie historischen Dokumenten und Zeugenberichten, wird die quellenkritische Kompetenz erweitert, um so die „Vielschichtigkeit und Multiperspektivität historischer Überlieferung anzudeuten.“ (S. 4) In einem letzten Schritt werden die Orte der Aufnahmen als Teil unserer heutigen Gegenwart gezeigt, um ihren heutigen Zustand und realen Charakter zu verdeutlichen und den Distanzeindruck der historischen Schwarzweißfotografie aufzubrechen.
Durch die Einheitlichkeit dieses Vorgehens können die vorgestellten Fotoserien so eingesetzt werden, dass die quellenkritische Fotoanalyse anhand der fünf Beispiele eingeübt und dabei gleichzeitig die Entwicklung und Zuspitzung der Verfolgung der Juden zur Zeit des Nationalsozialismus vermittelt werden kann. Es ist aber auch möglich, nur eine einzelne Serie herauszunehmen und als konkrete Übung in eine bestehende Unterrichtseinheit zu integrieren, da jede Bildanalyse in sich abgeschlossen funktioniert. Vorgestellt werden Fotografien von Heinrich Ihnken, einem überzeugten NSDAP-Mitglied und Besitzer eines Fotogeschäfts aus der Stadt Norden, die die öffentliche Demütigung von Christine Neemann und ihrem jüdischen Verlobten Julius Wolff, die der „Rassenschande“ bezichtigt wurden, zeigen.
Die zweite Fotoserie zeigt Aufnahmen von der Verhaftung jüdischer Bürger in Folge des Novemberpogroms in Baden-Baden, die von Josef Friedrich Coeppicus, dem Inhaber eines kleinen Fotogeschäftes, aufgenommen wurden. Die dritte Fotoserie zeigt die Überführung von Juden in das Ghetto in Kutno. Gemacht wurden die Aufnahmen von dem deutsche Wehrmachtssoldaten und Lehrer Wilhelm Hansen aus Schleswig. Die Aufnahmen aus der vierten Serie wurden von Wolfgang Vennemann im Januar 1943 in Marseille gemacht.
Vennemann war professioneller Fotograf und Mitglied einer Propagandakompanie. Die Bilder zeigen Deportationen von Juden. Die letzte Fotoserie entstammt dem sogenannten „Auschwitz-Album“ und zeigt die Ankunft ungarischer Juden im Frühjahr 1944 in Auschwitz. Diese Fotografien wurden von den SS-Männern Ernst Hoffmann und Bernhard Walter aufgenommen. Zu dieser Sammlung liegen auch pädagogische Materialien vor, die von Yad Vashem erstellt wurden und sinnvoll in Ergänzung und Intensivierung der von Kreuzmüller und Werner entwickelten Einheit herangezogen werden können.
Mit der pädagogischen Handreichung „Fixiert. Fotografische Quellen zur Verfolgung und Ermordung der Juden in Europa“ tragen Kreuzmüller und Werner dazu bei, eine Lücke im historischen Lernen über den Holocaust zu füllen. Ihr Analysemodell historischer Fotografien lässt sich sicherlich gut in bestehende Ansätze und Unterrichtskonzepte integrieren bzw. mit diesen verbinden und trägt insbesondere dazu bei, Kompetenzen im Hinblick auf Quellenkritik zu entwickeln.
Trotz der hervorragenden Rekonstruierung der Entstehungszusammenhänge der Aufnahmen und der kompakten Darstellung der historischen Kontexte bleibt aber in den Analysen die spezifische (Täter- oder Zuschauer-)Perspektive, ihr Niederschlag in der Komposition, Auswahl und Anordung der Bilder und der ideologische Gehalt der Aufnahmen weitgehend ausgespart. Hier wären weitere Präzisierungen, möglichst im Zusammenhang mit konkreten Bildbeispielen, wünschenswert, damit beispielsweise der angesprochene ‚Trophäencharakter’ der Aufnahmen aus Norden, die Unterschiede zwischen den Blicken der Amateure und der ‚Profis’ von den Propagandakompanien (am Gegenstand der Fotografien aus Marseille) oder der ‚Verwaltungs- und Registrierungscharakter’ der Fotos aus dem „Auschwitz-Album“ von den Lernenden erkannt und analysiert werden können. Daher sollte anknüpfend an die in der Handreichung entwickelten Ansätze noch weitere am konkreten Material erprobte Methoden entwickelt und zugänglich gemacht werden, um das Lernen über den Holocaust auch mit der Ausbildung reflexiver und kritischer Medienkompetenz zu verbinden.
Christoph Kreutzmüller, Julia Werner
Fixiert. Fotografische Quellen zur Verfolgung und Ermordung der Juden in Europa Eine pädagogische Handreichung.
Hentrich und Hentrich Verlag
62 Seiten, 14,90 € / 27,90 CHF
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