Liebe Leserinnen und Leser,
ich freue mich, Ihnen heute eine neue Ausgabe unseres deutschsprachigen E-Newsletters präsentieren zu können, die sich dieses Mal mit den Helfern und Rettern von Jüdinnen und Juden während des Holocaust beschäftigt. Der Anlass dieser Schwerpunktsetzung ist das 50jährige Bestehen der Kommission der „Gerechten unter den Völkern“, die 1962 vom Staat Israel ins Leben gerufen wurde, um das bereits in den 40er Jahren formulierte Ziel zu erfüllen, in Israel und Yad Vashem an jene Nicht-Juden zu erinnern, die während des Holocaust ihr Leben riskiert haben, um Juden zu retten. Seit den 60er Jahren wird ausgehend von festgelegten Kriterien darüber entschieden, wer als Gerechter von Yad Vashem anerkannt und geehrt werden soll und muss. In einem ausführlichen Artikel beschreibt die heutige Leiterin der Abteilung der „Gerechten unter den Völkern“ Irena Steinfeldt die Geschichte und die Arbeit der Kommission. Nachgezeichnet werden dabei auch die Überlegungen und Beweggründe, bestimmte Kriterien zu formulieren, nach denen über eine Ehrung entschieden wird, sowie diverse Dilemmata, die daraus resultieren. Ergänzt wird dieser Artikel durch ein Interview mit dem Holocaustüberlebenden und langjährigen Mitglied der französischen Auswahlkommission Dr. Ehud Loeb. Ehud Loeb berichtet darin über seine französischen Helfer und Retter und verdeutlicht die besondere Bedeutung, die der Kommission und ihrer Tätigkeit bis zum heutigen Tag zukommt. Er betont aber auch seine individuellen Beweggründe und persönliche Verpflichtung, die Arbeit der Kommission zu unterstützen. Schließlich erzählt der Artikel „‚Kein Jude blieb ohne Schutz eines Albaners‘" die bis vor wenigen Jahren kaum bekannte Geschichte der muslimischen Bevölkerung Albaniens und berichtet von deren Bestreben, die Juden Albaniens vor der Deportation und Vernichtung zu retten.
Die Ausgabe dieses Newsletters möchte über das Programm der „Gerechten unter den Völkern“ in Yad Vashem hinaus den Themenschwerpunkt der Hilfe und Rettung in einen weiteren historischen und pädagogischen Kontext bearbeiten. In Fortführung des letzten E-Newsletters, der sich mit der Motivation und dem Handeln der Täter und Bystander auseinandergesetzt und pädagogische Ansätze vorgestellt hat, wie die Täterperspektive in den Unterricht über den Nationalsozialismus und Holocaust integriert werden kann, versucht die aktuelle Ausgabe sich mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Rolle die Geschichten der Retter und Helfer in der pädagogischen Auseinandersetzung einnehmen sollten und wie diese aufbereitet und präsentiert werden können. In diesem Zusammenhang stellt Dr. Beate Kosmala die Berliner Gedenkstätte „Stille Helden“ vor und verdeutlicht dabei leitende konzeptionelle Überlegungen bei der Ausstellung und Bearbeitung von Rettungsgeschichten. Zudem setzt sie die Taten der Retter und Helfer zum Begriff der Zivilcourage in Beziehung und fragt nach den Zielen der pädagogischen Arbeit mit diesen sogenannten „stillen Helden“. Der Artikel von Susanne Beer beschäftigt sich mit dem an der Universität Essen durchgeführten empirischen Forschungsprojekt „Referenzrahmen des Helfens“, welches aus sozialpsychologischer Sicht zu erklären versucht, weshalb jemand zum Helfer wurde. Die von ihr zusammengefassten Ergebnisse geben Aufschluss darüber, aus welcher Intention heraus Rettungstaten zustande kamen und sensibilisieren dafür, auch im pädagogischen Raum nicht vorschnelle Schlüsse zu ziehen und ideologisch begründete Motive des Widerstands gegen den Nationalsozialismus zu konstatieren. All diese Überlegungen ergeben ein umfangreiches Bild und sensibilisieren gleichzeitig für den Umgang mit den Gerechten im Kontext der Geschichte des Holocaust. So können diese nicht unkritisch als Helden rezipiert werden, ohne auf existentielle Dilemmata und die spezifische Situation ihres Handelns einzugehen. Eine wichtige Rolle spielt dabei immer auch das besondere Verhältnis von Helfern und Geretteten.
Wie immer finden Sie im Newsletter auch weitere Nachrichten aus Yad Vashem und den deutschsprachigen Ländern, sowie Termine der nächsten Monate.
Wir wünschen Ihnen eine interessante Lektüre und freuen uns über Feedback und Anregungen.
Ihre
Deborah Hartmann