Andreas Weinhold und Meike Komatowsky
„History ist kalt, analytisch. Memory ist warm, emotional.“
So bringt ZDF-„Chefhistoriker“ Guido Knopp auf den Punkt, worin er und mit ihm weitere Vertreter der gegenwärtigen Geschichtskultur den wesentlichen Vorzug des Zeitzeugenberichts vor der nüchtern-empirischen Geschichtsdarstellung sehen. Die personalisierte Darstellung und die mit ihr verbundene Emotionalisierung und Authentifizierung von Geschichte prägen gegenwärtig nicht nur das populäre Histotainment in Fernsehen und Internet; auch in den pädagogisch-didaktischen Kontexten von Gedenkstätten, Museen und Schulen hat sich im Laufe der vergangenen dreißig Jahre eine „Zeitzeugenkonjunktur“ ereignet. Der Zeitzeugenbericht mache das Vergangene lebendig oder erlebbar und ermögliche durch unmittelbare Präsenz des Erzählenden eine Nähe zur vergangenen Wirklichkeit, wie sie die wissenschaftliche Objektivierung nicht zu bieten habe; so oder ähnlich lautet eines der geläufigsten Argumente. Nichts erscheint glaubwürdiger, nichts kann zur engagierten Auseinandersetzung mit vergangenem Handeln oder Leiden sicherer animieren als der Zeitzeuge.
Das gilt in besonderem Maße für die Geschichte des Holocaust. Doch gerade in diesem historischen Kontext birgt der pädagogische Einsatz von Zeitzeugeninterviews bedenkenswerte Risiken. Dazu bieten zahlreiche Beitrage in Norbert Freis und Martin Sabrows gerade erschienenem Sammelband zur gegenwärtigen Zeitzeugenkultur einen facettenreichen Überblick. In der Summe plädiert diese sehr lesenswerte Publikation nicht etwa für eine Abkehr vom Zeitzeugen als zentralem Träger heutiger Erinnerungskultur. Weit davon entfernt, den Spieß umzudrehen und der Fachhistorie wieder den Vorzug vor den laienhaften Stimmen der Zeitzeugen einzuräumen, sprechen sich die meisten Beiträge für eine reflektierte, Chancen und Grenzen abwägende Nutzung des Zeitzeugeninterviews aus; ein Anspruch, den man auch schulischen Lehrkräften auf dem Gebiet der Holocaustpädagogik nahelegen möchte.
Der wohl gravierendste Fehler, den man beim Einsatz von Zeitzeugeninterviews im Unterricht machen kann, ist, bei Schülerinnen und Schülern vorrangig auf jene emotionalen Wirkungen zu setzen, auf die die Dokumentationen im „guido-knoppisierten“ Geschichtsfernsehen ausgerichtet sind. Darin wird der Zeitzeuge für das profitable Erinnerungsgeschäft der Fernsehschaffenden instrumentalisiert. Dokumentationen wie jene aus der ZDF-Reihe „History“ dienen oft nicht der Verfügbarmachung historischer Informationen oder exemplarischer Selbstzeugnisse, sondern in erster Linie der Erzeugung von Gefühlen. Neben einer Beglaubigung dessen, was die sonore Stimme aus dem Off erklärt, liefern die Zeitzeugen hier die emotionalen Höhepunkte: von einer menschlichen Grenzerfahrung zur nächsten eilend, erzählen sie – meist im Wechsel mit dramatischen Filmsequenzen ungeklärter Herkunft – ihre ganz persönlichen „Geschichten von Leiden, Liebe, Einsamkeit, Erlösung, Macht und Tod“. Dem re-konstruierenden Lernen über den Holocaust fügen diese Geschichten rein gar nichts hinzu. Denn kritische, gegenwartsrelevante Fragen etwa nach Handlungsspielräumen, Dilemmata, Verantwortung oder den Motiven von Rettern, die den Geschichten Bedeutung verleihen könnten, werden, sofern sie sich überhaupt stellen, unter der Last des Geschilderten erdrückt. Was die Zeitzeugen auslösen, ist Erschütterung oder, wie Ulrich Baer einmal formuliert hat, ein Gefühl der „moralischen Benommenheit“, dem sich der Betrachter aufgrund der Unfassbarkeit des erzählten Leids kaum entziehen kann. Statt dem Zeitzeugenbericht Orientierungsangebote für die eigene Gegenwart und Zukunft entnehmen zu können, endet die Auseinandersetzung für den Lernenden in einer „unmöglichen Einfühlung und Identifikation mit den Toten, in politisch lähmendem Mitleid, in melancholischer Fixierung oder in stummem Entsetzen über die schockierende Fremdheit der traumatischen Erfahrung.“
Heidemarie Uhl weist in ihrem Beitrag zu dem Sammelband zu Recht auf die drohende Aussparung der Täter und Bystander hin. Die Motive für ihr Handeln bzw. ihre Unterlassungen sind „in die Kategorie des Zeitzeugen gerade nicht inkludiert“. Denn zum einen überfordert die Täterperspektive die Erzählhaltungen und Erzählabsichten der Opfer; zum anderen lassen sich deren Zeitzeugenberichte nicht einfach durch Täternarrationen ergänzen. Dafür ist es erstens zu spät. Und zweitens offenbaren die wenigen vorliegenden Interviews mit ehemaligen Nazis eine unverhohlene Neigung der Täter zur Verharmlosung des NS-Staates im Allgemeinen und ihrer eigenen Verbrechen im Besonderen.
Ein weiteres pädagogisch-didaktisches Risiko bei der Verwendung von Zeitzeugenberichten verbindet sich mit dem oft unhinterfragten Aussagewert, der den Zeitzeugenberichten in den Medien der Erinnerungskultur zugeschrieben wird. Zu Recht beklagt etwa Martin Sabrow in seinem Einführungsartikel zu dem Sammelband die Instrumentalisierung des Zeitzeugen als Garant für Authentizität: „sein Bericht [erfüllt] heute die illustrative Funktion einer in Fragmente zerlegten Zeitzeugenschaft, die zur autoritativen Beglaubigungsinstanz der medialen Geschichtserzählung aufgestiegen ist.“ Allzu oft ist in holocaustpädagogischen Zusammenhängen die Neigung spürbar, den Zeitzeugen als eine Art menschgewordene historische Quelle zu überschätzen und zu überhöhen. Aber jeder Zeitzeugenbericht ist und bleibt vor allem Eines: ein narratives Selbstzeugnis. Er ist nicht mehr (und nicht weniger) als „eine Konstruktion, an der Wahrnehmung, Erinnerungsvermögen, historisches Wissen, ethische Überzeugungen und sprachliche Ausdrucksfähigkeit beteiligt sind. Wir unterstellen gern, dass diese Konstruktion der Vergangenheit unserer eigenen Einschätzung entsprechen müsse. Wie falsch diese Annahme ist, wird unmittelbar einsichtig, wenn wir einmal annehmen, unser Zeitzeuge wäre zum Beispiel Adolf Eichmann.“ Daraus sollte nicht geschlossen werden, Zeitzeugenberichte seien bloß Erzählungen, ohne Referenz zur historischen Wirklichkeit. Im Gegenteil bieten sie oft einen wertvollen und einzigartigen Zugang zur Erfahrungs- und Erlebniswelt der Vergangenheit. Das letzte Beispiel macht außerdem deutlich wie wichtig es ist zwischen „Zeitzeugen“ zu unterscheiden und die überlebenden Opfer der Naziverbrechen nicht mit den die Taten leugnenden Tätern oder in der Tätergesellschaft situierten Zuschauern gleichzusetzen.
Auf Widerspruch dürfte daher Sabrows Befund treffen, wonach ein radikaler „Rollenwechsel des Zeitzeugen von der Kritik zur Affirmation“ stattgefunden habe. Autobiografische Selbstzeugnisse, so der Direktor des Potsdamer Zentrums für zeithistorische Forschung, hätten in der Tradition der Oral History vor allem eine emanzipatorische Funktion gehabt: Studs Terkels Radiosendungen etwa oder Claude Lanzmanns dokumentarisches Meisterwerk Shoah ermöglichten afro-amerikanischen bzw. jüdischen Zeitzeugen eine aktive Teilhabe an der Erinnerungskultur, die den Erzählungen der Mehrheitsgesellschaft eigene Narrationen mit eigenen Themen und in eigenen Worten entgegensetzte. In ihren Gegenerzählungen hatten es jüdische Zeitzeugen rassistischer Verfolgung z.B. selbst in der Hand, sich nicht nur als verallgemeinerte Opfer eines totalitären Systems, sondern auch als individuell Handelnde zu präsentieren. „Diese einstige Gegenerzählung hat im Laufe der letzten dreißig Jahre […] schrittweise Hegemonie erlangt. Sie ist selbst zur master narrative unserer Zeit geworden, die im Schulunterricht wie im Geschichtsfernsehen oder in der politischen Gedenkrede das peinlich berührte Schweigen durch den Willen zur Aufklärung abgelöst hat.“ Der Preis für die Vorherrschaft des Zeitzeugen in der Erinnerungskultur sei zum einen der Verlust jener emanzipatorischen Funktion gewesen, die großen nationalhistorischen Narrationen durch subjektive, sperrige Geschichten „von unten“ zu konterkarieren. Zum anderen seien die Zeitzeugen seit ihrer Aufnahme in die etablierte Erinnerungskultur zu „affirmativen Belegspendern“ geworden, deren Erzählungen nun zwar allgemeine Anerkennung finden, jedoch zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Geschichte und Gegenwart kaum noch Anlass bieten.
Dazu passt die fragwürdige Neigung mancher Pädagogen in unterrichtlichen oder musealen Zusammenhängen, den Zeitzeugenbericht nicht in erster Linie als historisches Orientierungsangebot für Gegenwart und Zukunft zu nutzen, sondern für emotionale Appelle an Empathie oder gar Identifikation mit den Opfern zu instrumentalisieren. Historisches Lernen kann und soll Empathieangebote keineswegs ausschließen. Aber es kommt auf einen reflexiven Einsatz an, der die Fähigkeit zur Einordnung der Erinnerungen ebenso vermittelt wie die Bereitschaft, andere Perspektiven einzunehmen.
Die Konsequenz aus diesen kritischen Einwänden gegen die Zeitzeugenkultur kann und darf, wie gesagt, keine neuerliche Abwendung von den Zeitzeugen sein. Vielmehr kommt es darauf an, die genannten Schwierigkeiten bei der Gestaltung zeitzeugenbasierter Lernangebote zu bedenken. Das Ergebnis wäre keine Herabwürdigung der Zeitzeugen, sondern, im Gegenteil, eine Aufwertung der Rolle, die sie in den historisch-politischen Lernprozessen von Schülerinnen und Schülern spielen können. Hierfür seien beispielhaft einige Bedingungen genannt, die unbedingt bei der pädagogischen Arbeit mit Zeitzeugenberichten zu berücksichtigen sind:
- Für Schülerinnen und Schüler wird der Zeitzeugenbericht als narratives Konstrukt durchschaubar, das bestimmten Sprach-, Erzähl-, Urteils- und Erklärungsmustern folgt. Historische Selbstzeugnisse dienen den Lernenden nicht nur der Re-Konstruktion vergangenen Unrechts, sondern auch der De-Konstruktion seiner geschichtlichen Darstellung.
- Schülerinnen und Schüler können die empirische Triftigkeit historisch politischer Urteile aus Zeitzeugenberichten anhand kontextualisierender Materialien überprüfen und bewerten.
- Schülerinnen und Schüler nutzen Zeitzeugenberichte für die historische Orientierung in ihrer eigenen Gegenwart und Zukunft; d. h. sie stellen eigene Fragen an den Zeitzeugenbericht, die für das Handeln in ihren gegenwärtigen Lebenswelten bedeutsam sind. Aktuelle Menschenrechtsverstöße, Flucht und Vertreibung sowie der zivilgesellschaftliche Umgang mit deren Folgen werfen genügend Fragen für die Ausrichtung der Zeitzeugenarbeit im Unterricht auf.
- Schülerinnen und Schüler erwerben historische Medienkompetenzen, die sie zu einem kriteriengeleiteten Urteil über DVD-, Internet- oder TV-basierte Zeitzeugenberichte befähigen.
- Schülerinnen und Schüler erwerben narrative Kompetenzen, die sie zum eigenen Erzählen von Vergangenem befähigen, mithin ihre aktive Teilhabe an der von Zeitzeugen geprägten Erinnerungskultur ermöglichen.
Einen Ansatz hierzu bietet die Lernsoftware „Zeugen der Shoah“, herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung und der Freien Universität Berlin für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufen I und II.
Überlebende sprechen in auf je etwa 30 Minuten gekürzten Interviews über ihr Leben vor, während und nach der nationalsozialistischen Verfolgung. Die insgesamt zwölf Interviews sind den vier Themen Fliehen, Überleben, Widerstehen und Weiterleben zugeordnet. Zu jedem der Themen gibt es eine DVD-ROM mit jeweils drei Interviews. Die Lernsoftware umfasst insbesondere die beiden Ebenen „Erinnerung“ und „Geschichte“. Über die Ebene „Erinnerung“ können die jeweiligen Video-Interviews sowie entsprechende Aufgabenstellungen zu den Erinnerungen der Überlebenden angesteuert werden. Die Ebene „Geschichte“ stellt Informationen zum Visual History Archive des USC Shoah Foundation Institute, sowie zum Thema Oral History zur Verfügung und umfasst zwei Interviews mit Historikern. Des Weiteren umfasst die Lernsoftware ein Lexikon und eine Mediathek. Die Navigation zwischen den Ebenen und auch innerhalb einer Ebene ist sehr einfach.
Zusätzlich enthalten sind vier Video-DVDs, die es ermöglichen die Zeitzeugen- und Historikerinterviews im Klassenverband abzuspielen. Die zwölf Interviews sind Teil des USC Shoah Foundation Institute for Visual History and Education und präsentieren verschiedene Gruppen von Überlebenden: Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, politisch Verfolgte, Opfer der Rassenhygiene.
Ziel der DVD-Reihe ist weniger die Vermittlung von Faktenwissen (es richtet sich an Schülerinnen und Schüler, die bereits über Basiswissen über Nationalsozialismus und Holocaust verfügen), sondern die Entwicklung historischer Kompetenzen: Deutung und Analyse von Quellen, Urteilskompetenz, Medien- und Methodenkompetenz und narrativer Kompetenz. Gleichzeitig sollen sie sich über die Auseinandersetzung mit den Zeitzeugen aber auch ihrer Verantwortung für die Erinnerung sowie Gegenwart bewusst werden. „The Foundation’s mission is to overcome prejudice, intolerance, and bigotry—and the suffering they cause—through the educational use of its visual history testimonies.“ Neben der wissenschaftlichen Erforschung der Jahre nach 1933 ist also auch die Herausbildung einer Zivilgesellschaft, die dies nicht mehr zulässt, ein Ziel des USC Shoah Foundation Institute. Dass dies ein legitimes Ziel des Instituts wie des Geschichtsunterrichts ist, muss nicht betont werden. In der Arbeit mit Schülerinnen und Schülern muss allerdings stets deutlich werden, dass sich Videointerviews nicht immer eignen, um den historischen Kontext zu erschließen, sondern an erster Stelle die Erinnerungen an subjektive Erfahrung der Verfolgten und Überlebenden betonen.
So liegt der Schwerpunkt des Begleithefts für Lehrkräfte darauf, dass Schülerinnen und Schüler erfassen, dass Gefühle und Gedanken in komplexen Prozessen gefilterte und strukturierte Erinnerungen sind. Dies wird im Begleitheft für Lehrkräfte bereits im Vorwort betont und auf die spezifischen Eigenschaften der Quelle des Zeitzeugeninterviews eingegangen. Ein solcher Ansatz eignet sich ebenfalls zur dekonstruierenden historischen Analyse dieser bestimmten Quelle. Das Heft informiert im ersten Teil über konkrete curriculare sowie lebensweltbezogene Anknüpfungspunkte, gibt praktische Hinweise zur Nutzung des Online-Archives „Zeugen der Shoah“ und schildert Aufgaben und Arbeitsweise des USC Shoah Foundation Institute.
Sollen Videointerviews im Unterricht sinnvoll eingesetzt werden, muss dem eine didaktische und methodische Reflexion über die Eigenschaften des Mediums und dem Umgang damit, sowie über das Verhältnis von Medium und Botschaft vorausgehen. Daher gehen im Begleitheft - und damit hoffentlich auch im Unterricht - der inhaltlichen Auseinandersetzung Begriffsklärungen und Quellenanalyse in dem Sinne, dass Spezifika und Dimensionen der Quelle Videointerview ermittelt werden, voraus. Die Lernsoftware selbst bietet Material zum VHA und zur Oral History und auch die didaktischen Kommentare leiten zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Methoden an.
Der zweite Teil des Begleitheftes informiert ausführlich über die einzelnen Themen und Interviewten der DVDs und bietet mehrere didaktische Kommentare und konkrete Aufgabenstellungen zu jedem der Videointerviews, was es zu einer sehr hilfreichen Handreichung auch für Lehrkräfte macht, die mit diesem Themengebiet noch nicht vertraut sind.
In der Lernsoftware wird die Problematik der Oral History und der Zeitzeugeninterviews in den je etwa fünf Minuten langen Interviews mit den Historikern Gisela Wenzel und Wolfgang Benz angesprochen und die Schülerinnen und Schüler werden in Aufgaben dazu aufgefordert, sich näher damit auseinander zu setzen. Wie bei allen anderen Aufgaben können Schülerinnen und Schüler direkt in ein Aufgabenfenster schreiben, Quellen und Texte (auch per drag and drop) einfügen und den Inhalt entweder auf ihrem Rechner oder USB-Stick speichern. Durch die Verwendung von Nutzernamen, können die Einträge jedes einzelnen Schülers separat aufgerufen werden.
Insgesamt stellt die Lernsoftware eine Vielfalt an Aufgaben und Material bereit. Auf der Ebene „Erinnerungen“ können Schülerinnen und Schüler neben den Videointerviews der Zeitzeugen und Kurzbiografien auch auf Transkription, ggf. Übersetzung und Kapitelübersicht zugreifen. Daneben bildet auf der Ebene „Geschichte“ die Arbeit mit Quellen einen Schwerpunkt des Programms. Verschiedene Formen von Quellen (Akten, Filme, Briefe, Fotografien, Zeichnungen) werden bereitgestellt, quellenspezifische Analysemethoden angeboten und mit Fragen angeleitet, die sich auf die konkrete Quelle beziehen und nicht induktiv geschlossene Ergebnisse erwarten. Stets werden über die Quelle hinausgehende gegenwartsbezogene oder medienbezogene Fragen formuliert, etwa nach Ausgrenzung und Widerstand heute, der Wirkung von Denkmälern und Lehren aus der Geschichte. Texte von Historikern können analysiert werden, Recherche in andere Medien wird gefordert und konkrete Fragen zur Quelle Zeitzeuge gestellt, wie deren Intention, zu erzählen, oder die Vorgehensweise bei der Durchführung eines Zeitzeugeninterviews. Einige Fragen befassen sich mit der literarischen Bearbeitung von Holocaust-Erinnerungen. Schülerinnen und Schüler werden auch aufgefordert, Fragen, die nach der Analyse offen blieben, zu formulieren. Somit beinhaltet diese Lernsoftware alle Grundlagen, um geschichtswissenschaftliche Kompetenzen und Methoden zu lernen: Analyse von Quellen, Recherche, kritische Lektüre von Sekundärliteratur, Formulierung von offenen Fragen am Ende einer wissenschaftlichen Arbeit.
Zusammenfassend sei gesagt, dass das Programm sehr gute Voraussetzungen für die Aneignung historischer Kompetenzen im Umgang mit Zeitzeugeninterviews und anderen historischen Quellen bietet und mehr Lernmittel von dieser methodischen, inhaltlichen und technischen Qualität wünschenswert sind. Eine so gute Lernsoftware nimmt den Lehrkräften aber keine Arbeit ab, sondern fordert auch sehr gute Lehrerinnen und Lehrer.
Andreas Weinhold ist Geschichtslehrer und pädagogischer Mitarbeiter der Medienberatung NRW.
Meike Komatowsky ist Kulturwissenschaftlerin und wissenschaftliche Volontärin der Medienberatung NRW.