Sonntag bis Donnerstag: 9.00-17.00 Uhr Freitags und an den Abenden vor einem Feiertag: 9.00-14.00 Uhr
Yad Vashem ist an Samstagen und jüdischen Feiertagen geschlossen.
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Neben den Formationen der SS war die deutsche Polizei eine der entscheidenden Stützen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Die Polizei war bis auf wenige Ausnahmen an allen Formen und Stufen der Verfolgung und später der Vernichtung von politischen und weltanschaulich definierten Opfergruppen beteiligt. Die ehemals preußisch geprägte Polizei entledigte sich während des „Dritten Reichs“ zunehmend „formaler Schranken“ und wandelte sich zu einer radikalisierten und enthemmten Organisation als Teil des nationalsozialistischen Maßnahmenstaates. Ein Schlüsseldatum ist dabei der 17. Juni 1936, als Hitler Heinrich Himmler neben seiner Funktion als Reichsführer-SS auch zum Chef der deutschen Polizei ernannte. Von Berlin aus teilte man die Polizei zentral- und führerstaatlich ausgerichtet in zwei Hauptämter: Zum einen das Hauptamt Ordnungspolizei, u.a. mit den Schutzpolizeien der Städte, der Gemeindepolizei, der Gendarmerie auf dem Land, der technischen Nothilfe und dem gesamten Feuerwehrwesen. Zum anderen fusionierten unter dem Dach der Sicherheitspolizei die Kripo und die ausgegliederte Gestapo. Daraus ging 1939 zusammen mit dem Sicherheitsdienst der SS das berüchtigte Reichssicherheitshauptamt (RSHA) hervor. Die Personalstärke der uniformierten Polizei stieg im Zweiten Weltkrieg auf knapp 250.000 Mann an. Darüber hinaus verfügte aber das Hauptamt Ordnungspolizei vor allem mit der als Hilfspolizei eingestuften Feuerwehr und der Technischen Nothilfe insgesamt über eine Personalstärke von etwa 3,1 Millionen Männern.
Die schlimmsten Verbrechen verübte die Polizei im besetzten Europa während des Zweiten Weltkriegs, der als Vernichtungskrieg angelegt war. Mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Sommer 1941, dem sog. Barbarossa-Feldzug, wurde die Schwelle vom Massenmord gegen Juden, Sinti und Roma hin zum Genozid überschritten. Staatsziel war es, nicht nur Territorien zu erobern und diese rücksichtslos auszubeuten, sondern die Bevölkerungen in Europa zu „säubern“, um die Welt nach rassenideologischen Maßstäben neu zu ordnen. Die mindestens 130 Polizei-Bataillone, etwa 500 bis 700 Mann starke militärische Einheiten, bildeten das Kernstück der mobilen Polizeiverbände im Vernichtungskrieg. Der amerikanische Pionierforscher zur Thematik, Christopher R. Browning, bezeichnete die Angehörigen der Bataillone wegen ihrer vielschichtigen Zusammensetzung als „Ordinary Men“, ganz normale Männer. Aus dem sprichwörtlichen „Freund und Helfer“ wurde durch weltanschauliche Schulung, Militarisierung, Gruppendruck, männliches Herrenmenschentum, Karrierestreben und Vorteilsnahme der Weltanschauungskrieger und Massenmörder in grüner Uniform.
Um den enormen Machtfaktor und die weitgehenden Handlungsräume der Ordnungspolizei als zentrales Ausführungsorgan des Genozids an den europäischen Jüdinnen und Juden ab Sommer 1941 einordnen zu können, muss die Genese der innerdeutschen militärischen Machtkonstellationen nach dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 in den Blick genommen werden. Der Einsatz der Ordnungspolizei war de facto nicht fester Bestandteil der Kriegsvorbereitung gewesen. Zur Unterstützung und Absicherung der eroberten Gebiete waren zunächst nur die Sicherheitspolizei und der SD eingeplant. Aber bereits am 3. September 1939 befürchtete der Chef des Generalstabes des Heeres, Franz Halder, massive Widerstandsaktivitäten vonseiten der polnischen Bevölkerung. In mehreren, kurzfristig organisierten Aktionen wurden deshalb fast zwei Dutzend Polizeibataillone Richtung Polen in Marsch gesetzt, sodass sich bis Mitte September bereits mehr als 10.000 Ordnungspolizisten im sogenannten Auswärtigen Einsatz befanden. Diese schnell und zuverlässig zur Verfügung gestellte Hilfe honorierte die Wehrmachtsführung, indem sie den Polizeitruppen das Recht zur Durchführung von Standgerichtsverfahren und Exekutionen zubilligte, die nur von Himmler überprüft werden durften. Zudem erhielten die Bataillone eine Art Freifahrtschein zur eigenmächtigen Niederschlagung jedweder „Aufstandsversuche“.
Die gewährten großen Handlungsräume bildeten machttechnisch eine ideale Ausgangssituation der Ordnungspolizei im Vernichtungskrieg. Sie hatte sich nicht nur allgemein Respekt bei der Wehrmacht erworben, sondern sich von Kriegsbeginn an einen beinahe autonomen Machtstatus verschafft. Diesen nutzten die Polizeibataillone sogleich für antisemitische Maßnahmen wie dem Abbrennen von Synagogen, aber auch für Einzel- und Massenerschießungen, bei denen zunächst vor allem männliche Juden ermordet wurden. Die formale Unterstellung der Polizeibataillone unter regionale Befehlsstrukturen der Wehrmacht spielte in der Praxis kaum eine Rolle.
Die Dynamik der antijüdischen Mordexzesse setzte sich bis zur Jahreswende 1940/41 fort. Ein grausames Beispiel stellt der Judenmord am 11. November 1940 in der Stadt Ostrów Mazowiecka im Distrikt Warschau des „Generalgouvernements“ dar. Angehörige des Reserve-Polizeibataillons 11 aus Königsberg und des Polizeibataillons 91 aus Kassel löschten dabei durch Massenerschießungen erstmals eine lokale jüdische Bevölkerung vollständig aus.
Für viele der 1939 und 1940 in Polen agierenden deutschen Polizeibataillone bildete diese erste Einsatzphase die Grundlage für den weiteren Eskalationsschub in der Umsetzung des Holocausts ab dem Sommer 1941 sowohl auf polnischem Gebiet, vor allem aber in der Sowjetunion. Dieser „Generalprobe“ zum Genozid folgte nach dem Überfall auf die Sowjetunion ein exponentieller Anstieg sowohl des Deportationsgeschehens als auch der Massenerschießungen.
Ein weiteres Beispiel für den Übergang vom Massenmord zum Genozid ist die Vernichtung von mehr als 33.000 ukrainischen Jüdinnen und Juden in der Schlucht von Babyn Jar am Stadtrand von Kiew. Um an zwei Tagen, am 29. und 30. September 1941, diese Vielzahl von Menschen zu töten, bedurfte es der Zusammenarbeit mehrerer Institutionen innerhalb des Machtapparates von Polizei und SS sowie der Unterstützung der Wehrmacht. Neben dem Sonderkommando 4a und weiteren Mitgliedern der Einsatzgruppe C unter Führung der Sicherheitspolizei und Teilen eines Waffen-SS-Bataillons waren auch etwa 750 Ordnungspolizisten Teil der Mordmaschinerie. Sie kamen vor allem aus Böhmen (Bataillon 45), Bremen (303), Wien (314) und Berlin (9).
An den Ermordungen beteiligten sich die Männer in grüner Uniform in unterschiedlicher Form. Als sogenannte Packer legten sie die Opfer vor der Erschießung, wenn nötig gewaltsam, mit dem Gesicht nach unten auf die bereits zuvor getöteten Menschen in den Erschießungsgräben, sodass im Laufe des Massakers die Leichen in mehreren Schichten gestapelt lagen. Die Funktion eines in den Mordkommandos eingesetzten Polizisten konnte während der zweitägigen Mordorgie mehrfach wechseln: Vom „Packer“ zum „Befüller“ der Patronenmagazine bis hin zum aktiven Schützen. Nach dem Massaker lud der Höhere SS- und Polizeiführer (HSSPF) Friedrich Jeckeln die Polizisten zu einer Feier mit reichlich Essen und Alkohol ein. Sie konnten sich somit bestätigt fühlen, durch ihre aktive Teilnahme die polizeilich und dienstlich „richtige“ Entscheidung getroffen zu haben.
Babyn Jar ist nur einer in einer dichten Kette von Orten auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, an denen die Ordnungspolizei in ähnlicher Weise arbeitsteilig an den genozidalen Massakern mitwirkte und so „kontaminierte Landschaften“ hinterließ. In der westukrainischen Stadt Kamenez-Podolsk beispielsweise ermordeten Ende August 1941 u.a. Angehörige des Polizeibataillons 320 aus Berlin an drei Tagen mehr als 23.000 Jüdinnen und Juden. Auch in Weißrussland (heute Belarus) fanden im gleichen Zeitraum Massenerschießungen unter der organisatorischen Leitung des HSSPF Russland-Mitte, Erich von dem Bach-Zelewski, statt. Das Bataillon 322 mit Polizisten aus Österreich und aus dem Raum Köln wirkte aktiv bei Massenerschießungen unter anderem in Minsk und in der Stadt Pinsk, im Südwesten Weißrusslands gelegen, mit. Die Tötungsarbeit des Bataillons 322 kulminierte am 2. und 3. Oktober 1941 in der weißrussischen Stadt Mahiljou, von den deutschen Besatzern „Mogilew“ genannt. 2.008 jüdische Frauen und Männer und Kinder - vom Baby bis zum Greis - fielen den Erschießungen der Polizisten an diesen beiden Tagen zum Opfer. In den folgenden Tagen und Wochen ging das Töten in der Stadt weiter, u.a. erschossen Polizisten des Bataillons 316 aus Recklinghausen Mitte Oktober weitere mindestens 3.700 Jüdinnen und Juden.
Die deutsche Polizei war eine Schlüsselorganisation bei der Umsetzung des Völkermords an den europäischen Jüdinnen und Juden. Mehr als jeder sechste Ermordete während des Holocausts, mindestens 1,2 Millionen, fiel den mobilen Mordeinheiten des Polizeiapparates zum Opfer. Die in den eroberten Gebieten eingesetzten Polizeibataillone erschossen mindestens 600.000 Jüdinnen und Juden. Die sogenannten Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei liquidierten unter massiver Beteiligung uniformierter Polizisten weitere rund 600.000 Jüdinnen und Juden. Wenn man die unter polizeilicher Führung stehenden Deportationen aus ganz Europa in die NS-Vernichtungslager hinzurechnet, in denen die Eintreffenden unmittelbar nach ihrer Ankunft vergast wurden, dann ist die deutsche Polizei sogar für 62 Prozent aller Holocaust-Opfer verantwortlich zu machen.
Ein Schlussgedanke: Der Holocaust, der nach dem Ende des „Dritten Reichs“ als größtes Verbrechen der Menschheitsgeschichte gilt, wäre im Falle eines deutschen „Endsiegs“ heroisiert worden zu einem „Ruhmesblatt der [deutschen] Geschichte“.
4. Oktober 1943: Heinrich Himmler hatte seine Führungsentourage zur Gruppenführertagung in die polnische Stadt Posen eingeladen. 92 hochrangige Offiziere aus Polizei und SS versammelten sich im Goldenen Saal des historischen Rathauses am Marktplatz und lauschten ihrem Chef etwa 3 Stunden lang. Mit Matratzen verschloss man den Schacht eines in den Raum führenden Lastenaufzugs, damit es keine unerwünschten Zuhörer geben konnte. Denn Himmler sprach offen und ohne die übliche Tarnsprache über, wie er es formulierte, „ein ganz schweres Kapitel […], die Ausrottung des jüdischen Volkes.“ Für die meisten der hier Anwesenden waren die Ausführungen keine Neuigkeit, schließlich wirkten sie seit Jahren an der Umsetzung des Völkermordes verantwortlich mit. Himmler machte nun aber das zu einem Großteil schon archaisch umgesetzte Verbrechen für Polizei und SS zum offiziellen Staatsziel und heroisierte es. Für das in seinen Augen zu schwache deutsche Volk seien detaillierte Kenntnisse indes zu hart. Für seine Weltanschauungstruppe hingegen sei es ein „Ruhmesblatt unserer Geschichte“. Seinen Männern attestierte er dabei im Großen und Ganzen „anständig geblieben zu sein“. In seinen Augen waren die am Holocaust beteiligten Männer aus Polizei und SS also Helden: die abgehärtete Rasse- und Weltanschauungselite Nazi-Deutschlands. Zwei Tage später, am 6. Oktober 1943, erweiterte Himmler, nun im Schloss von Posen, den Mitwisser-, und damit Komplizenkreis um die Elite der NSDAP bei einer Rede vor den Reichs- und Gauleitern. Posen diente Himmler damit als zweifache Kulisse für die Legitimierung und Deutung des Judenmords als einem deutschen Heldenepos.
Besonders die „erste“ Posener Rede vom 4. Oktober ist ein Schlüsseldokument für eine heutige globale ethische Diskussion über die fatale Wirkmächtigkeit einer totalitär angelegten Werte- und Normenverschiebung während des NS-Regimes. Wie war es möglich, dass der Völkermord an den europäischen Jüdinnen und Juden sowie den Sinti und Roma in den Augen der Führungsebene von Polizei und SS und bei den tatumsetzenden Truppen vor Ort nicht nur als notwendig erachtet wurde, sondern sogar als moralisch-ethisch korrekt und „anständig“ heroisiert wurde?
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