Die berührende Geschichte von Hannah Gofrith, die als Kind in verschiedenen Verstecken den Holocaust überlebte, liegt bisher in einer von Naomie Morgenstern erzählten Buchversion vor. Diese Version ist leicht verständlich geschrieben und wurde bzw. wird vor allem in der Grundschule eingesetzt. Da aber nur wenige Lehrkräfte in Hamburg den Holocaust vor dem 9. oder 10. Schuljahr thematisieren und wir gleichzeitig als Landesinstitut zunehmend Anfragen erhalten, ob es auch Unterrichtsmaterialien gibt, die in inklusiven Lernsettings verwendet werden können, kamen Katrin Bätje und ich nach unserer Yad Vashem-Fortbildung im Sommer 2019 auf eine Idee: Wie wäre es, wenn wir aus der Erzählung eine Unterrichtseinheit für alle machten?
Und wenn wir alle sagen, wollten wir auch möglichst alle meinen – also nicht nur diejenigen Schüler*innen, die auch in der höheren Sekundarschule (noch) Schwierigkeiten mit dem Lesen haben, sondern auch solche, die nicht mit den Augen lesen, sondern mit den Fingern!
In Kooperation mit Frau Dittmer von der Norddeutschen Hörbücherei e.V. für blinde, seh- und lesebehinderte Menschen in Hamburg haben wir die Erzählung deshalb in Punktschrift umsetzen sowie eine Hörfassung produzieren lassen. Beides, der Text in Braille sowie das Hörbuch, können nun deutschlandweit über die Hörbücherei ausgeliehen werden. Dies ist nicht nur ein tolles Angebot für alle Menschen mit Seheinschränkungen, sondern eben auch für alle in pädagogischen Kontexten: Alle Schüler*innen, die aufgrund einer entsprechenden Diagnose bzw. eines Konferenzbeschlusses Anrecht auf Fördermaßnahmen haben, können ebenfalls von der Hörbücherei profitieren.
Darüber hinaus entwickelt sich – durch die Coronapandemie immer wieder gestört, gestoppt, verändert – nun langsam auch die dazugehörige Unterrichtseinheit. Dabei stehen vor allem Fragen der Umsetzung und der Sichtbarkeit zur Diskussion: Was für ein Konzept haben nicht-Sehende von Verstecken? Welche Formen gibt es, Erlerntes auszustellen, wenn die Produzent:innen und Besucher:innen, nicht oder kaum sehen können? Wie wird ein Zeitstrahl spürbar? Wie kann ein Glossar entstehen, wenn dieses nicht nur aus noch mehr Text bestehen soll oder wenn diejenigen, die es produzieren sollen, weder lesen noch schreiben?
Entstanden sind so bisher ein abgehbarer Zeitstrahl über die einzelnen Schritte Hannahs vor, während und nach der Shoah, sowie erste kleine Tondokumente mit Begriffserklärungen für ein Audio-Glossar. Ein weiterer wichtiger Schritt ist außerdem, die bisher erstellten Arbeitsblätter in einem Format zu setzen und zu veröffentlichen, das für Schüler*innen und Lehrkräfte mit und ohne Seheinschränkungen gleichermaßen nutzbar ist. Dazu gehört z.B. neben der Verwendung einer serifenlosen Schrift auch die Setzung des Textes in klare, nummerierte Abschnitte, die am PC leichter zu finden sind.
Geplant ist, dass die bisherigen Unterrichtsergebnisse im Laufe des Sommers gebündelt werden, und im kommenden Schulhalbjahr in die Erprobung gehen. Anschließend soll das Material über die Homepage von Yad Vashem zur Verfügung gestellt werden.
Johanna Jöhnck
Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg
Elisabeth-Lange-Schule, Hamburg-Harburg