10 Juni 2018
Am Sonntag, dem 10. Juni 2018, war Seine Exzellenz, der Bundeskanzler der Republik Österreich, Sebastian Kurz, zu Besuch in Yad Vashem, dem Weltzentrum für Holocaustgedenken. Avner Shalev, der Vorsitzende Yad Vashems, begleitete den Bundeskanzler bei seinem Besuch, der eine Führung durch das Yad Vashem Archiv, die weltgrößte Sammlung von Dokumenten zum Holocaust, einschloss. Außerdem nahm der Kanzler an einer Gedenkzeremonie in der Halle des Gedenkens teil, besuchte die Kindergedenkstätte, schrieb sich ins Gästebuch ein und durchschritt das Tal der Gemeinden.
„Yad Vashem ist ein Ort des Gedenkens für uns alle und erinnert an unsere Verantwortung, für Toleranz, Offenheit und gegen jede Form von Antisemitismus zu kämpfen. Als politische Führer unseres Landes verstehen wir, dass Gedenken ein Grundstein für die Zukunft ist, eine Zukunft, die Erinnerung an all diejenigen ehrt, die gelitten haben und ermordet wurden," hielt Kurz im Gästebuch fest.
Bei der Zeremonie der Einschreibung ins Gästebuch auf dem Janusz-Korczak-Platz unterzeichneten der Bundeskanzler und der Vorsitzende Shalev eine Grundsatzvereinbarung, die sicherstellt, dass Yad Vashem Zugang zum Österreichischen Staatsarchiv und zur Gedenkstätte Mauthausen sowie auch die Möglichkeit erhält, Dokumente zum Holocaust zu kopieren.
„Diese Unterzeichnung ist für unsere beiden Länder von großer Wichtigkeit und für Israel ist dies ein Thema, das weit über akademische Forschung hinausgeht."
Bundeskanzler Kurz kündigte an, dass „die Republik Österreich einen Beitrag zur Errichtung des neuen Shoah Heritage Collections Center in Yad Vashem leisten wird, der zusätzlichen Raum zur Aufbewahrung sowie Konservierungslaboratorien für Objekte, Kunstwerke und Dokumente aus der Zeit des Holocaust bereitstellen soll."
Als Teil der Zeremonie in Yad Vashem überreichte der Vorsitzende Shalev dem Bundeskanzler ein Andenken und Zeichen der Wertschätzung: die Reproduktion einer Sammlung von 99 Kunstwerken zu Szenen der Bibel, die Carol Deutsch, ein Opfer des Holocaust, für seine Tochter schuf. Deutsch wurde nach einem Todesmarsch bei seiner Ankunft in Buchenwald ermordet. Während der Zeremonie wurde eine der Zeichnungen aus der Sammlung mit dem Titel „Wo bist du?“ ausgestellt und dem Kanzler durch Shalev übergeben.
Der österreichische Bildungsminister Heinz Faßmann, ein Mitglied der Delegation des Bundeskanzlers, unterzeichnete in dessen Beisein die Verlängerung eines Bildungsabkommens zwischen Yad Vashem und dem österreichischen Bildungsministerium. Das Abkommen ermöglicht Hunderten österreichischer Lehrer und Erzieher, an Bildungsseminaren in Yad Vashem teilzunehmen. „Als österreichischer Kanzler ist mir bewusst, dass auf Österreich mit den grauenhaften und schamvollen Verbrechen der Shoah eine schwere Bürde lastet. Es ist unsere Pflicht, sicherzustellen, dass die Shoah nie wieder passieren wird und dass meine Generation wie auch die kommenden Generationen diese Verbrechen niemals vergessen werden."
Über das Andenken und Zeichen der Wertschätzung
Carol Deutsch schuf eine Serie von 99 Illustrationen, die Geschichten und Gestalten aus der Bibel darstellen. 1941 in Antwerpen, mitten im Krieg, trotz der Ausgangssperre und der Schrecken der Verfolgung, arbeitete Carol Deutsch an dieser Serie von Kunstwerken, mit denen er stolz seiner jüdischen Identität Ausdruck verlieh, und schenkte sie seiner zweijährigen Tochter Ingrid. Die farbigen Illustrationen stehen stark unter dem Einfluss der Ornamentik des Jugendstils und des Stils der Bezalel-Schule, die der Maler während seines Aufenthalts im Heiligen Land 1935 kennenlernte.
Ein besonderes Element der Sammlung ist die Zeichnung „Wo bist du?“, die die Frage Gottes an Adam darstellt, als sich dieser aus Scham für die Ursünde versteckt. Durch eine in Feuertönen gehaltene Farbgebung für die Blätter, die Adam verbergen, einen intensiv-gelben Hintergrund und zahlreiche sich überschneidende diagonale Linien vermittelt der Maler geschickt die Dramatik der Szene. Im Kontext des Holocaust erhält die Frage „Wo bist Du, Adam?“ besondere Bedeutung und hallt unbeantwortet nach.
Kurzbiografie von Carol Deutsch
1894 Antwerpen – 1944 KZ Buchenwald
Carol Deutsch stammte aus einer religiös praktizierenden Familie, die im Diamantengeschäft tätig war. 1922 heiratete er Esther Laufer, die Tochter des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde von Ostende. Das Ehepaar führte einen Pelzsalon. Unter dem Einfluss des Künstlers James Ensor begann Deutsch, zu malen. In den Jahren 1930-1935 diente er als Präsident der Jüdischen Gemeinde von Ostende. 1934 lernte er Felicia (Fela) Bronsztajn, eine aus Polen geflohene Jüdin, kennen, und die beiden verliebten sich ineinander. Deutsch war jedoch noch verheiratet, und Bronsztajns Familie missbilligte die Verbindung. 1935 reiste Deutsch für ein Jahr nach Erez Israel, wo er Landschaften malte. Nach seiner Rückkehr ließen Esther und er sich scheiden. 1939 heiratete Deutsch Fela Bronsztajn, die 1940 ihre Tochter Ingrid zur Welt brachte. Zwischen 1942 und 1943 versteckte sich das Paar in einer ländlichen Gegend in der Nähe von Brüssel, wurde jedoch verraten, festgenommen und im September 1943 nach Auschwitz deportiert. Fela wurde dort ermordet; Deutsch wurde ins KZ Sachsenhausen deportiert und dann auf einen Todesmarsch nach Buchenwald gezwungen, wo er ums Leben kam. Ingrid und ihre Großmutter, die von einer katholischen Familie versteckt worden waren, überlebten zusammen mit der Serie von Kunstwerken.
Yad Vashem, das Weltzentrum für Holocaustgedenken, wurde 1953 eingerichtet. Es liegt in Jerusalem und widmet sich dem Gedenken an den Holocaust sowie seiner Dokumentation, Erforschung und Lehre.