Präsident Isaac Herzog blättert in Yad Vashem durch die Seiten des Buches der Namen
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29 März 2023
In Vorbereitung auf den Gedenktag für die Märtyrer und Helden des Holocaust 2023 hat Yad Vashem, die Internationale Holocaust Gedenkstätte, diese Woche das ‚Buch der Namen‘ der Holocaust-Opfer eingeweiht. An der Zeremonie nahm der Präsident des Staates Israel, Isaac Herzog, teil sowie der Vorsitzende von Yad Vashem, Dani Dayan, und der Holocaust-Überlebende Rabbi Israel Meir Lau. Mehrere andere Holocaust-Überlebende waren anwesend, deren Familien im ‚Buch der Namen‘ verzeichnet sind.
Die monumentale Ausstellung zeigt 4.800.000 Millionen Namen jüdischer Männer, Frauen und Kinder, die von den Nazideutschen und ihren Komplizen während der Shoah ermordet wurden. Begleitend zur Installation des Buches ist ein berührender Kurzfilm über Holocaust-Überlebende und die Bedeutung des Gedenkens an die Namen der Opfer des Holocaust zu sehen.
„Mein Vater war ein Mensch, er war nicht nur Luft“, sagt die Holocaust-Überlebende Giselle (Gita) Cycowicz. Der Name von Giselles Vater, Willhelm Friedman, ist im ‚Buch der Namen‘ registriert, dank eines Gedenkblattes, das Giselle zu seinem Gedenken ausgefüllt hat.
Die Namen, die in Yad Vashems zentraler Datenbank der Namen der Holocaustopfer enthalten sind, waren bisher nur auf der Website von Yad Vashem (in sechs Sprachen) zugänglich. Jetzt werden sie auf dem Berg der Erinnerung in greifbarer Form im ‚Buch der Namen‘ gezeigt, wo die Besucher die Namen berühren können. Dadurch soll das Unbegreifbare greifbar gemacht werden. Die Namen wurden in den letzten sieben Jahrzehnten akribisch zusammengetragen und sorgfältig von Yad Vashem-Experten überprüft. Im vergangenen Jahr gelang es Yad Vashem, etwa 40.000 neue Namen ausfindig zu machen und zu sammeln.
Nach Schätzungen von Yad Vashem werden in den kommenden Jahren etwa 200.000 bis 300.000 weitere Namen in die zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer aufgenommen werden, so dass insgesamt mehr als fünf Millionen Identitäten der schätzungsweise sechs Millionen Opfer des Holocaust erfasst werden.
„Der Nazi-Satan hat versucht, das Bild Gottes im Menschen auszulöschen. Indem man seine Identität auslöscht, indem man seinen Namen mit Füßen tritt - indem man ihn in eine Nummer verwandelt - ist der Mensch wie ein Tier. Der Kern dieses heiligen Berges des Gedenkens, auf dem wir mit Mut und Zittern stehen, ist der Aufruf: ‚Und ihnen will ich in meinem Haus und in meinen Mauern ein Denkmal und einen Namen geben (ein Yad Vashem)... der nicht ausgerottet werden soll.‘ Wir erinnern uns nicht an Zahlen. Wir erinnern uns nicht an namenlose Gefangene, sondern an Leben, an menschliche Wesen: Mütter und Schwestern, Väter und Söhne... Wir erinnern uns an das Leben – und das ist unser großer Sieg. Denn jeder jüdische Name, der in Flammen aufging und achtzig Jahre später in Jerusalem, im demokratischen Nationalstaat des jüdischen Volkes, laut verlesen wird, ist der größte Sieg der Welt... Gerade in diesen Tagen, in denen unsere Erde bebt, muss uns das ‚Buch der Namen‘ daran erinnern, woher wir gekommen sind, und – was noch wichtiger ist – uns zum Nachdenken bringen, wohin wir gehen.“
Israels Staatspräsident Isaac Herzog
„Jeder Jude, der während des Holocaust ermordet wurde, hatte einen Namen, ein Gesicht und eine einzigartige Lebensgeschichte. Sie waren keine anonymen Opfer, wie die Nazis und ihre Kollaborateure sie uns vorgaukeln wollten. Siebzig Jahre später bleibt es unsere Pflicht, weiterhin jedes Archiv zu durchsuchen, jede Dokumentationsquelle zu durchforsten und jeden Stein umzudrehen, um jeden Namen zu finden, der dem Vergessen entrissen werden kann. Die Ausstellung ‚Buch der Namen‘ soll die Identität der ermordeten Juden schwarz auf weiß wiederherstellen und der ganzen Menschheit zeigen, dass sie nicht nur Opfer waren – sondern auch Menschen wie Sie und ich.“
Dani Dayan, Vorsitzender von Yad Vashem
„Je weiter wir uns von den Ereignissen des Holocaust entfernen, desto herausfordernder wird unsere Aufgabe des Erinnerns und Gedenkens. Es ist zwar noch möglich, neue Namen zu sammeln, aber die Geschwindigkeit, mit der wir dazu in der Lage sind, wird in den kommenden Jahren drastisch abnehmen. Die Überlebenden des Holocaust und ihre Zeitgenossen werden immer weniger, und diejenigen, die es nicht geschafft haben, Zeugnis über Namen abzugeben, werden es irgendwann nicht mehr können.“ Bei der Erfassung von Namen aus der Zeit des Holocaust in Osteuropa stehen wir vor den größten Lücken. Wir arbeiten mit zahlreichen internationalen Archiven und Gremien zusammen, die sich weltweit mit dem Erinnern und Gedenken befassen, aber wir sind nahe daran, diese Möglichkeiten auszuschöpfen. (...) Von Beginn unserer Sammlungsbemühungen an war uns klar, dass die Suche nach den Namen von Kindern eine besondere Herausforderung darstellen würde, da sie in vielen Fällen nicht erfasst wurden, als sie mit ihren Familien ermordet wurden. Wir werden niemals eine vollständige Sammlung aller Namen haben, weil die Nazis bewusst nicht daran interessiert waren, ihre Verbrechen zu dokumentieren und sogar versuchten, sie zu vertuschen. Deshalb ist jeder neue Name, den wir entdecken und verewigen können, ein weiterer kleiner Sieg gegen die Nazis und ihre Komplizen und ihren Versuch, die Juden und die jüdische Religion vom Angesicht der Erde zu tilgen.“
Dr. Alexander Avram, Direktor der Halle der Namen von Yad Vashem
Alle bisher gefundenen Namen werden im neuen ‚Buch der Namen‘ präsentiert, das die Namen der 4.800.000 Holocaust-Opfer enthält, die Yad Vashem seit seiner Gründung bis heute gesammelt hat. Wo bekannt, enthält das Buch auch ihre Geburtsorte, Geburtsdaten und Sterbedaten.
Die Namen der Opfer sind auf gestärkten Seiten gedruckt, die einen Meter breit und anderthalb Meter hoch sind, wobei die Schrift von einem feinen Lichtstrahl zwischen den Seiten beleuchtet wird. Die Gesamtlänge des Buches beträgt insgesamt etwa acht Meter. Seine gewaltigen Ausmaße verweisen auf den kollektiven, unvorstellbaren und enormen Verlust für die Menschheit als Ganzes – und das jüdische Volk im Besonderen. Die letzten Seiten des Buches sind leere Seiten, die die Namen symbolisieren, die noch nicht ausfindig gemacht, dokumentiert und verewigt wurden und vielleicht nie ausfindig gemacht werden können. Das Buch ist eine Antwort auf das emotionale Bedürfnis der Angehörigen der Familien und Bekannten nach einem physischen, greifbaren Ort, an dem die Namen gesehen und berührt werden können: ein symbolischer kollektiver Grabstein.
Eine frühere Version (2013) des Buches der Namen mit 4,3 Millionen Namen ist in der Dauerausstellung „Shoah“ von Yad Vashem im Block 27 des Museums Auschwitz-Birkenau in Polen zu sehen. Dieses neue ‚Buch der Namen‘ wurde dank der großzügigen Unterstützung der Visionäre Marilyn und Barry Rubenstein (USA) von Yad Vashem erstellt. Es wurde am Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York im Rahmen der Veranstaltungen zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, am 27. Januar, erstmals vorgestellt. Jetzt hat das ‚Buch der Namen‘ hier in Yad Vashem seinen festen Platz gefunden.