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Am 22. Juli 1942, am Vorabend des Tish'a Be'av, begannen die Deutschen mit der großen Deportation aus dem Warschauer Ghetto. Zunächst wurden Flüchtlinge, Kranke und Obdachlose deportiert, ihnen folgten die Arbeitslosen. Die Deportationen dauerten bis zum 21. September. In ihrem Verlauf wurden etwa 265,000 Menschen in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort ermordet.
Die Deportationen erfolgten vom „Umschlagplatz“ – einem an den Bahnhof grenzenden Platz am Rande des Ghettos, der zum Sammelpunkt wurde. Die Juden wurden in geschlossene Güterwaggons gepfercht und die Türen hinter ihnen verriegelt. Dann begann die Reise in den Tod.
Die Deutschen versuchten alles, um die Opfer zu täuschen. Zu Beginn der Deportationen versprachen die Nationalsozialisten jedem, der sich freiwillig zum „Transfer“ melde, drei Kilogramm Brot und ein Kilogramm Marmelade. Dieses Versprechen brachte ausgehungerte Menschen dazu, sich am Umschlagplatz einzufinden. Nach einigen Tagen nahm der Freiwilligenstrom ein Ende. Zur selben Zeit veranstalteten die Deutschen eine Jagd auf die Ghettobewohner. Straßen wurden abgesperrt, und die jüdische Polizei holte die Bewohner aus ihren Häusern. Während die Deutschen die Selektion vornahmen, durchkämmten polnische und ukrainische Polizisten die verlassenen Wohnungen und suchten nach Juden, die sich versteckten. Die Aufgegriffenen wurden zum Umschlagplatz gebracht und deportiert. Diejenigen, die während der Selektion zu fliehen versuchten, wurden an Ort und Stelle ermordet. Am Ende der Deportationen nach Treblinka waren im Ghetto 55,000-60,000 Juden verblieben. Sie wurden in einigen Häuserblocks konzentriert und das Gebiet des Ghettos wurde stark verkleinert.
Die Verbliebenen, großteils junge Menschen, die ihre Familien bereits verloren hatten, verspürten ein Gefühl der Verwaisung und bitteren Ernüchterung. Viele gaben sich selbst die Schuld dafür, dass sie nicht Widerstand geleistet und die Deportation ihrer Familien ermöglicht hatten. Sie wussten durchaus, dass ihr eigenes Schicksal ähnlich sein würde. Nun widmeten sie sich dem Aufbau eines Untergrundes, an dem fast alle Parteien und Jugendorganisationen mitwirkten. Noch vor den Deportationen hatte es im Warschauer Ghetto erste Versuche gegeben, einen bewaffneten Widerstand zu organisieren. Im März und April 1942 wurde die „Antifaschistische Front“ auf Initiative der jüdischen Kommunisten gegründet. Im Mai deckte jedoch die Gestapo ihren Anführer, Andrzej Szmidt (Deckname von Pinkus Kartin) auf, verhaftete und ermordete ihn.
Mit Beginn der Deportationen wurden die Versuche, eine kämpfende Untergrundorganisation zu errichten, auf Initiative der Vertreter dreier zionistischer Jugendbewegungen („Hashomer Hatzair“, „Dror“ und „Akiva“) wieder aufgenommen. Im Oktober schloss sich ihnen die Partei „Poalei Zion“an, und es entstand die „Jüdische Kampforganisation" (ZOB). Innerhalb kurzer Zeit schlossen sich ihr weitere Jugendbewegungen und nicht-zionistische Parteien an – der Bund und die Kommunisten. Mordechai Anielewicz, 23 Jahre alt und Mitglied des „Hashomer Hatzair“, wurde zum Kommandanten der ZOB ernannt. Die revisionistische Jugendbewegung „Beitar“ gründete eine eigene Kampforganisation, den „Jüdischen Militärverband“ (ZZW).
Am 18. Januar 1943 begannen die Deutschen mit einer weiteren Aktion. Die Führung des jüdischen Untergrundes nahm an, dass es sich um die endgültige Deportation aus dem Ghetto handle und reagierte mit einem bewaffnetem Widerstand, der auch als der „kleine Aufstand“ bezeichnet wird. Daraufhin stoppten die Deutschen die Aktion, und unter den Juden im Ghetto vollzog sich ein Wandel. Sie glaubten, dass die Beendung der Aktion eine Folge des Widerstandes war, was viele dazu bewegte, sich dem Untergrund anzuschliessen, sich in Bunkern in Häuserkellern zu verstecken und auf den Massenwiderstand vorzubereiten.
Am 19. April 1943, am Vorabend des Pessach-Festes, fing die Aktion der endgültigen Liquidierung an, und die Untergrundorganisationen begannen mit dem Widerstand. Am Aufstand beteiligten sich gemeinsam kämpfend die Mitglieder der ZOB unter dem Kommando von Mordechai Anielewicz und des ZZW unter dem Kommando von Pawel Frenkiel. Die Deutschen wurden vom Ausmaß des Widerstandes der Ghettobewohner, die sich in Bunkern und Verstecken verbarrikadierten, überrascht. Die Stellungen der jüdischen Kampforganisation waren über das gesamte Ghettogebiet verstreut, während die Mitglieder des jüdischen Militärverbandes ihren Kampf auf den Muranowska-Platz konzentrierten und die Versuche der Deutschen, ins Ghetto-Innere vorzudringen, abwehrten. Nach fünf Tagen des Kampfes begannen die Deutschen, die Häuser des Ghettos systematisch niederzubrennen und verwandelten es zu einer Feuerfalle für seine Bewohner. Über einen Monat lang kämpften die Juden des Ghettos heldenhaft. Dies war der erste städtische Volksaufstand im nationalsozialistisch besetzten Europa.
Der Aufstand im Warschauer Ghetto wurde zu einem Vorbild für Juden in anderen Ghettos und Lagern. Die später ausbrechenden Aufstände waren von geringerem Umfang, was auf Isolation, Mangel an Waffen und der feindseligen Umgebung zurückzuführen war.