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In Warschau errichteten die Nationalsozialisten das größte Ghetto in Europa. Vor dem Krieg lebten in Warschau 375.000 Juden, das waren etwa 30 Prozent der Stadtbevölkerung. Nach der Kapitulation Polens im September 1939, litten die Juden Warschaus unter brutalen Übergriffen und wurden zur Zwangsarbeit eingezogen. Im November 1939 wurden die ersten Verordnungen gegen Juden erlassen und sie wurden dazu verpflichtet, eine weiße Armbinde mit einem blauen Davidstern zu tragen. Eine Reihe von wirtschaftlichen Maßnahmen beraubten die Juden ihres Einkommens und damit der Fähigkeit, ihre Familien zu ernähren.
In Warschau wurde ein „Judenrat“ unter der Leitung von Adam Czerniakow eingesetzt, und im Oktober 1940 wurde die Errichtung eines Ghettos für die jüdischen Stadtbewohner bekannt gegeben. Das Ghetto wurde am 16. November 1940 abgeriegelt und erstreckte sich über lediglich 2,4 Prozent des Stadtgebietes. Die Flüchtlingsmassen, die aus kleineren Städten und Dörfern der Umgebung nach Warschau deportiert wurden, ließ die Ghettobevölkerung auf 450.000 Menschen ansteigen. Die Mauer, die das Ghetto umgab, mussten die Juden mit ihren eigenen Händen errichten, und unter strenger und brutaler Überwachung wurden sie so von der Welt abgeschnitten. Innerhalb des Ghettos bewegte sich das Leben der Massen zwischen dem verzweifelten Kampf ums Überleben und dem Tod durch Krankheit und Hunger. Das Warschauer Ghetto war stark überfüllt, sechs bis sieben Menschen lebten in einem Zimmer und die Nahrungsrationen entsprachen in ihrem Nährwert einem Zehntel des lebensnotwendigen täglichen Kalorienbedarfes. Wirtschaftliches Leben im Ghetto war kaum vorhanden und meist illegal; hauptsächlich wurden Nahrungsmittel in das Ghetto geschmuggelt. Trotz der Tätigkeit der jüdischen Gemeindeinstitutionen, an erster Stelle des Judenrates und der Hilfsorganisationen, starben im Warschauer Ghetto mehr als 80.000 Juden.
Doch die Mauern des Ghettos und die Isolation konnten die kulturellen Aktivitäten seiner Bewohner nicht unterbinden, und trotz der äußerst schwierigen Lebensbedingungen gaben Künstler und Intellektuelle ihre Tätigkeit nicht auf. Darüber hinaus drängten die nationalsozialistische Besetzung und die Deportation ins Ghetto Künstler und Intellektuelle dazu, der Zerstörung Ausdruck zu verleihen, die über ihre Welt hereingebrochen war. Im Ghetto bestanden Untergrundbibliotheken und ein Untergrundarchiv (das „Oneg Schabbat“-Archiv), das Emanuel Ringelblum gegründet hatte. Die Jugendbewegungen nahmen ihre Aktivität wieder auf und es wurde sogar ein Symphonieorchester zusammengestellt.
Im Juli 1942 begannen die Deportationen in das Vernichtungslager Treblinka. Als die ersten Deportationsbefehle ergingen, weigerte sich Adam Czerniakow, Vorsitzender des Judenrats, die Listen der für die Deportation Bestimmten zu erstellen. Am 23. Juli 1942 nahm er sich das Leben.