Eine vorbereitende Sitzung der Kommission wurde am 1. Februar 1963 abgehalten, und die Mitglieder begannen damit, die Richtlinien und Kriterien zu formulieren, die bis heute der Arbeit der Kommission zugrundeliegen. Am 19. Februar 1963 hielt die Kommission in der Residenz des israelischen Staatspräsidenten ihre erste Sitzung ab. Die Zusammensetzung der Kommission wechselte im Laufe der Jahre, doch bis heute führt ein Richter des Obersten Gerichtshofes den Vorsitz, und die Mehrheit der Mitglieder sind Holocaustüberlebende, die auf freiwilliger Basis arbeiten. Die Mitglieder der Kommission verbringen viele Stunden mit gewissenhaften Untersuchungen und sorgfältigen Überlegungen, bevor sie entscheiden, ob der Fall den strengen Regeln des Programms entspricht. Dank dieser ausführlichen Untersuchung und der strengen Befolgung der Kriterien des Programms hat der Titel weltweite Anerkennung gewonnen.
Im Lauf der Jahre arbeitete die Kommission eine Reihe von Bestimmungen und Kriterien aus, um innerhalb des vielfältigen, nuancenreichen Spektrums von Verhaltensweisen und Geisteshaltungen eine klare Linie zu ziehen – eine Unterteilung, die Rettungsakte, die die Kriterien für eine Anerkennung erfüllen, von anderen Bekundungen von Hilfsbereitschaft und Solidarität trennt. Das Yad Vashem-Gesetz definiert die „Gerechten“ als die Menschen, die „ihr Leben aufs Spiel setzten, um Juden zu retten.“ Diese Definition bildet die Grundlage der Entscheidungen der Kommission. Damit wird eine kleine Gruppe von Menschen beschrieben, die nicht nur halfen, sondern auch willens waren, ihre relativ sichere Position als Zuschauer aufzugeben; Menschen, die bereit waren, notfalls den Preis für ihre Haltung zu bezahlen und sogar das Schicksal der Opfer zu teilen; angesichts des äußersten Bösen begnügten sie sich nicht mit bloßen Sympathiebekundungen. Außergewöhnliche Umstände erforderten außergewöhnliche Taten.
Die Linie ist verständlicher Weise in vielen Fällen verwischt, und die Kommission steht erheblichen Herausforderungen und Problemen gegenüber. Wie Historiker versuchen die Mitglieder der Kommission, Licht auf die Ereignisse zu werfen und sie vor ihrem historischen Hintergrund zu bewerten. Anders als Historiker jedoch müssen sie letzten Endes angesichts von komplexen, facettenreichen Situationen eine klare Schlussfolgerung ziehen und sie auf ein einfaches „ja“ oder „nein“ reduzieren. Sie müssen sich damit auseinandersetzen, welches Risiko die Retter auf sich nahmen und welcher Art ihre Motivation war – wollten sie jüdische Menschenleben retten, oder gab es einen Hintergedanken, wie z.B. materiellen Gewinn, Konversion oder den Wunsch, ein Kind zu adoptieren?
Commission Chairmen:
1962-1970 |
Richter Moshe Landau |
1970-1995 |
Richter Dr. Moseh Bejski |
1995-2005 |
Richter Yakov Maltz |
2005 – 2023 |
Richter Jacob Tuerkel |
Mai 2023 – Januar 2024 |
Richter Elyakim Rubinstein |
Februar 2024 – Gegenwart |
Richter Hanan Melcer |
Aus dem Protokoll der vorbereitenden Sitzung der Kommission für die Ernennung der Gerechten am 1. Februar 1963
Richter Moshe Landau:
Ich bin sicher, dass Sie, wie ich, dieser Aufgabe mit Ehrfurcht begegnen. Wir haben eine wichtige Mission, und die Aufgabe ist in keiner Weise einfach – was von Anfang an klar war. Wir haben jedoch die Pflicht, im Auftrag Yad Vashems, des Staates Israel und des gesamten jüdischen Volkes, diese Aufgabe angemessen zu erfüllen.... Wir werden mit der Frage konfrontiert sein, ob wir den Spielraum erweitern oder verengen sollten. Ich hörte Dr. Kubovsky von Hunderten und Tausenden von Rettern sprechen. Ich glaube, die Definition sollte so weit wie möglich eingeengt werden, d.h., die Verleihung des Titels sollte auf ein paar wenige Herausragende beschränkt werden.... Es gibt ein ganzes Spektrum von Arten der Hilfeleistung und ein anderes Spektrum der Motivationen, die Menschen zu Rettern machten, von persönlichen Gründen bis hin zu humanitären und pro-jüdischen Einstellungen. Unsere Aufgabe wird sein, den Spielraum abzustecken... Es muss eine Wechselwirkung geben zwischen der Festlegung von Richtlinien im voraus und der Festlegung von Regeln, die sich aus den verschiedenen Fällen, aus der Arbeit der Kommission, ergeben.
Herr Gideon Hausner:
Ich verstehe die Problematik. Schließlich geht es hier nicht um unbedeutende Ereignisse, sondern um Akte der Dankbarkeit gegenüber lebenden Menschen. Es ist sehr leicht, sich mit menschlicher Güte zu befassen; es ist weitaus angenehmer, und es könnte uns veranlassen, das Hauptanliegen Yad Vashems [das Gedenken an sechs Millionen ermordete Juden] zu vernachlässigen. Es ist unsere Pflicht, die Dokumente zu untersuchen und ausgewählte Listen von Menschen zu veröffentlichen, die ohne persönlichen Gewinn ihr Leben aufs Spiel setzten, um Juden zu retten.... wenn ich aber von Tausenden von Rettern höre, habe ich meine Zweifel.
Rabbi Dr. David Kahana:
... Wir haben gesündigt, indem wir nicht genug getan haben, um diese Fälle publik zu machen.... Die Bibel lehrt uns von Pharaos Tochter, die die erste Retterin war. Sie rettete ein jüdisches Kind. Wenn unsere Weisen dies verstanden und dieser ersten Retterin gedachten, ist es an uns, das selbe zu tun.
Herr Eduard Gelber:
Für die Gerechten unter den Völkern, die ermordet wurden oder deren Namen unbekannt sind, könnte man ein symbolisches Denkmal errichten, das die Erinnerung an ihre Taten bewahrt. Damit werden wir unsere Pflicht erfüllen im Hinblick auf die Möglichkeit, dass es Dutzende oder gar Hunderte von Menschen gab, die Anerkennung verdienen und deren Namen unbekannt bleiben werden.
Dr. Alexander Brunovsky:
Ich teile das Gefühl, dass wir vor einer heiklen Aufgabe stehen und dass wir die Fälle mit äußerster Sorgfalt untersuchen müssen.... Ich kenne diese Fälle, denn ich war mehr als drei Jahre [unter einer falschen Identität] als Christ in Polen, und ich weiß von dem Verhalten polnischer Christen, die Juden halfen. Es wird sehr schwierig sein, Regeln festzulegen, denn es gab solche, die einigen Familien halfen, andere jedoch bei der Gestapo anzeigten. Es gab solche, die um des finanziellen Gewinns willen oder in Erwartung eines finanziellen Gewinns handelten. Aber wir können die Tatsache nicht ignorieren, dass es Menschen gab, die aus rein idealistischen Gründen handelten, und sie sind die wahrhaft Gerechten.... Die Prüfung durch uns muss streng sein...
Herr Simcha Rotem (Kazik):
Ich muss den Initiatoren dieser Kommission gratulieren. ....Wir schulden diesen Menschen Dank, und wir haben gesündigt, indem wir nicht früher gehandelt haben.
Dr. Arieh Kubovy:
Die Definition des Gesetzes ist eindeutig. Nur diejenigen, die echte Risiken eingegangen sind, haben ein Recht auf den Titel.... Ich war bei fast allen Zeremonien anwesend [dem Pflanzen von Bäumen durch Retter auf der Allee der Gerechten im Laufe des Jahres 1962], und die meisten dieser Menschen sagten, sie verdienen diese große Ehre nicht. Vor ein paar Tagen ging der 26. Retter, Cornelis Broeze aus den Niederlanden, so weit zu sagen: „Ich verdiene diese Ehre nicht, denn ich kann mich – und dies ist das Gefühl des ganzen niederländischen Volkes – nicht von unserer gemeinsamen Schuld befreien, die 104.000 niederländischen Juden nicht gerettet zu haben, die ermordet wurden.“
Richter Moshe Landau:
Die Kommission wird hart arbeiten müssen. Ihre Existenz ist publik gemacht worden. Yad Vashem braucht eine anerkannte Kommission, die die Probleme löst, die aufgetreten sind, und wir werden ein Gleichgewicht herstellen müssen zwischen den Aktivitäten der Kommission und den Hauptaktivitäten Yad Vashems.