Bis zum 10. Mai 1940 konnte man sich Einreisevisa oder Durchreisegenehmigungen für Portugal beim portugiesischen Konsulat in Bordeaux besorgen. An diesem Tag, dem Tag des deutschen Angriffs auf Belgien und die Niederlande, verbot die portugiesische Regierung jede weitere Durchreise von Flüchtlingen, besonders von Juden. Dies bedeutete, dass der letzte Hoffnungsschimmer erloschen war. Britische Staatsbürger, die eine Empfehlung vom britischen Konsul vorweisen konnten, durften Visa bekommen. Etwa 30.000 Flüchtlinge, darunter 10.000 Juden, versammelten sich vor dem portugiesischen Konsulat in Bordeaux und drängten darauf, das Stück Papier zu bekommen, das sie aus Frankreich befreien würde.
Als Sousa Mendes, ein frommer, gutherziger Christ, das schreckliche Los der Flüchtlinge sah, beschloss er, sich den expliziten Weisungen seiner Regierung zu widersetzen. Er empfing eine Abordnung von Flüchtlingen im Konsulat, die von Rabbi Haim Kruger geleitet wurde, und versprach allen, die es benötigten, Durchreisevisa. Diejenigen, die sich die Visumsgebühren nicht leisten konnten, sollten die Dokumente sogar umsonst bekommen.
Daraufhin richtete er im Konsulat ein improvisiertes Büro ein und begann, mit der Hilfe zweier seiner Söhne und mehrerer Juden, die in der Nähe warteten, Einreisevisa auszustellen. Sousa Mendes arbeitete drei Tage und drei Nächte lang hart, ohne sich einen Moment der Ruhe zu gönnen, und brach erschöpft zusammen, als die Arbeit getan war. Zwischen dem 15. und dem 22. Juni 1940 stellte Sousa Mendes insgesamt 1575 Visa aus.
Gerüchte über Sousas Aktion erreichten Lissabon, das ihn kurzerhand dazu aufforderte, umgehend in sein Heimatland zurückzukehren. Zwei Männer wurden entsandt, um ihn nach Portugal zurück zu eskortieren. Auf dem Weg kamen sie am portugiesischen Konsulat in Bayonne vorbei. Dort sah Sousa eine Menge von Hunderten von Menschen vor den Türen des Konsulats. Dies erinnerte ihn an das Schauspiel vor seinem Konsulat in Bordeaux. Obwohl er abberufen worden war, ging Sousa Mendes ins Konsulatsgebäude und befahl dem dortigen Konsul trotz dessen Widerstands, umgehend allen Antragstellern Visa auszustellen. Er stempelte die Visa persönlich und fügte handschriftlich hinzu: „Die portugiesische Regierung ersucht die spanische Regierung freundlichst, dem Inhaber dieses Dokuments zu gestatten, Spanien ungehindert zu passieren. Der Inhaber dieses Dokuments ist ein Flüchtling vor dem Konflikt in Europa unterwegs nach Portugal.“ Nachdem er alle Antragsteller mit diesem vielbegehrten Dokument ausgestattet hatte, begleitete Sousa Mendes sie persönlich zu einem spanischen Grenzposten und vergewisserte sich, dass sie sicher zur anderen Seite gelangten.
Nach Lissabon zurückgekehrt, wurde Sousa Mendes vor eine Disziplinarkommission gebracht und seines Amtes im Außenministerium enthoben. In der Folge wurde er bettelarm und war unfähig, seine Familie mit 13 Kindern zu ernähren. Er starb 1954 ohne einen Pfennig. Erst 1988, Dank äußeren Drucks und der Bemühungen seiner Kinder, gestand ihm seine Regierung völlige Rehabilitierung zu.
Auf die Bitte, sein Handeln zu erklären, sagte er: „Wenn Tausende von Juden wegen eines Christen [Hitler] leiden, darf ruhig ein Christ für so viele Juden leiden.“
Am 18. Oktober 1966 wurde Aristides de Sousa Mendes von Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ anerkannt.
Aus der Zeugenaussage Rabbi Chaim Krugers, 1966
Wir waren mit Tausenden unserer Leidensgenossen - vertrieben aus Frankreich und Belgien, die bereits unter der Herrschaft der verfluchten Nazis standen - aus Brüssel nach Frankreich geflohen. Nach vielen Leiden, die uns durch die Bombardements der Alliierten hinzugefügt worden waren, erreichten wir Bordeaux. Dort fanden wir weitere Tausende unserer jüdischen Landsleute vor, die sich auf der Straße aufhielten und auf dem Platz bei der Synagoge kampierten. Am Abend kam ein großer Wagen mit Chauffeur an und hielt neben uns. Ein Diplomat stieg aus und sprach zu mir. Er lud mich, meine Frau und meine fünf Kinder – das älteste war zehn, das jüngste zwei Jahre alt – zu sich nach Hause ein. Als wir dort ankamen, erzählte er mir, er sei der portugiesische Generalkonsul in Frankreich und habe 13 Kinder. Er bat uns, uns ganz zu Hause zu fühlen. Er bot uns an, zu duschen und uns nach Belieben zu erfrischen. Aber ich verstand, dass ich seiner Einladung nicht nachkommen konnte, da ich mich nicht von den Menschen trennen konnte, die auf den Straßen verblieben waren, und auch, weil das Haus voller [christlicher] Standbilder war, vor denen meine Kinder solche Angst hatten, dass sie nicht essen konnten. Ich dankte ihm für seine Großzügigkeit, und am Morgen schlossen wir uns wieder den Menschen an, die draußen geblieben waren. Später kehrte ich zurück zu seinem Haus und erklärte ihm, dass es nur einen Weg gebe, uns zu helfen – durch Ausstellung von Visa nach Portugal.
Der Vizekonsul hatte gehört, was wir in französischer Sprache gesagt hatten, und warnte de Sousa Mendes, nicht in die Falle zu gehen und uns Visa auszustellen. Dies sagte er auf Portugiesisch, was aber nichts nützte. Herr Mendes sagte, er werde mich und meine Familie mit Visa ausstatten, werde aber die Genehmigung des portugiesischen Außenministeriums einholen müssen, um auch anderen Flüchtlingen zu helfen. Ich versuchte, ihm zuzureden, nicht auf seinen Stellvertreter zu hören. Plötzlich sagte er zu mir, ich könne den Flüchtlingen mitteilen, dass jeder, der ein Visum wünsche, es bekommen werde. Das tat ich sofort. Alle Flüchtlinge erhielten Ausreisepapiere, und er saß den ganzen Tag, um sie zu unterschreiben. Ich half ihm, die Marken in die Pässe zu kleben, und er unterschrieb. Den ganzen Tag, bis spät in die Nacht hinein, aß und trank er nichts, und innerhalb kurzer Zeit stellte er Tausende von Visa aus – bis die Deutschen und ihre Verbündeten sich näherten und wir über Spanien fliehen mussten.