Doch die zunehmende Verfolgung der Juden zwang sie, aus Deutschland zu fliehen. Zuletzt wurden sie gefasst und ermordet.
Willi Ermann wurde im Jahre 1897 in Holz bei Saarbrücken als Sohn von Gustav und Henriette Ermann geboren. Der Vater Gustav war von hoher Statur, ein pensionierter Ulan. Er hatte einen – damals besonders für einen Juden – hohen Rang bekleidet. Wer bei den kaiserlichen Garde-Ulanen dienen sollte, wurde nach Kriterien wie Körpergröße und Aussehen ausgewählt. Natürlich musste auch ausreichend Besitz vorhanden sein, um ein Pferd kaufen und unterhalten zu können. Alle Brüder Gustavs waren im Pferde- und Viehhandel tätig, während er selbst Inhaber einer Trikotagenfabrik und eines großen Geschäfts war, in dem die Textilien aus dem Familienbetrieb verkauft wurden. Willi und sein jüngerer Bruder Leo arbeiteten als Handelsreisende für den Familienbetrieb.
Anfang des Ersten Weltkriegs wurde Willi zum Deutschen Heer eingezogen und kämpfte während der gesamten Dauer des Krieges in einem Infanterieregiment an der Westfront. Er absolvierte Waffen-, Granaten- und Minenübungen und erhielt den Rang eines Hauptgefreiten. Gegen Ende des Krieges wurde er auf den Posten eines Divisionsadjutanten berufen.
Nach dem Krieg heiratete Willi Else Mayer, und im Jahre 1926 wurde ihre Tochter Liselotte (Lilo) geboren, die erste Enkelin Gustav und Henriette Ermanns und der Stolz der Familie. Mitglieder der Familie verewigten sie auf zahlreichen Fotografien, von denen Hunderte erhalten sind.
Als sich 1938 die Verfolgung der Juden durch das Regime verschärfte, zog Willi mit seiner Familie nach Paris. Frankreich – der Staat, gegen den er zwanzig Jahre zuvor unter der deutschen Fahne gekämpft hatte – diente nun ihm und seiner Familie als Zufluchtsort. Auch in Paris arbeitete Willi als Handelsreisender für Textilwaren, wobei er sich seine fließenden Deutsch- und Französischkenntnisse zu Nutze machte.
Zu Beginn der deutschen Besetzung wurde Willi zur Arbeit in einer Matratzenfabrik geschickt, und Else war für eine Gruppe von Jüdinnen verantwortlich. Dank dieser Tatsache galten sie als „Nutzjuden“, als Juden, die man zumindest zeitweilig brauchte.
Ab Juli 1942 nahmen französische Polizisten in Paris sowie in der übrigen deutschen Besatzungszone etwa 23.000 ausländische Juden fest, unter denen sich zahlreiche deutsche Juden befanden. Bis August 1944 wurden etwa 80.000 Juden aus Frankreich in Eisenbahnzügen nach Auschwitz deportiert. Ein Teil überlebte die Reise, die etwa zwei Tage dauerte, nicht. Bei der Selektion in Auschwitz wurde die Mehrheit der Deportierten in die Gaskammern geschickt. Wenige wurden mit einer tätowierten Nummer auf dem Arm zur Zwangsarbeit abkommandiert.
Nicht anders war das Schicksal der Familie Ermann: Der sechsundvierzigjährige Willi wurde auf dem 53. Transport des Reichssicherheitshauptamts (RSHA), der am 25. März 1943 von Drancy nach Auschwitz ging, deportiert. Die vierzigjährige Else und die siebzehnjährige Lilo wurden drei Monate später, auf dem 55. Transport, verschickt, der am 23. Juni 1943 von Drancy abging und am 25. Juni in Birkenau ankam.
Die drei Mitglieder der Familie Ermann überstanden zwar die erste Selektion, jedoch nicht den Aufenthalt im Lager: schon nach kurzer Zeit wurden sie in Auschwitz ermordet.