Diese Ausstellung erzählt die Geschichte der Familie Knesbach aus Wien. Mit Hilfe von Materialien aus den Archiven und Sammlungen von Yad Vashem - persönliche Briefe, Fotografien, Dokumente, Gedenkblättern und mehr - haben wir die Möglichkeit, die Namen und Gesichter einiger der Ermordeten kennen zu lernen. Nur wenige überlebten die Wellen des Massenmordes, und einige spendeten Yad Vashem die persönlichen Gegenstände ihrer Lieben für die Nachwelt.
Osias-Yehoshua und Jetti Knesbach verließen Polen nach der Geburt ihrer Tochter Fanny im Jahr 1914 und ließen sich in Wien nieder. Osias diente im Ersten Weltkrieg in der österreichisch-ungarischen Armee. Ihr Sohn Leo-Yehuda wurde 1919 in Wien geboren und die Familie besaß ein Geschäft für Textilprodukte.
In den Jahren 1937 bis 1938 studierte Fanny an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, eine der wenigen Studentinnen in ihrem Jahrgang. Sie schloss ihr Studium kurz nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich im März 1938 ab. Sie bestand ihre Abschlussprüfungen im Oktober, stellte jedoch fest, dass sie aufgrund der den Juden auferlegten Beschränkungen in Österreich nicht Medizin praktizieren konnte.
Die Wiener Juden litten im Novemberpogrom von 1938 ebenso wie die Juden im ganzen Reich. Nach dem Pogrom beschlossen Jetti und Osias, ihre Kinder aus Österreich weg zu bringen. Leo verließ Wien im Februar 1939 und erreichte Rumänien. Im Juni 1939 bestieg er das Flüchtlingsschiff „Rim", das Rumänien mit rund 600 illegalen Einwanderern verließ. Das Schiff hielt in Rhodos an, wo weitere 260 Juden der Insel und andere Flüchtlinge an Bord gingen. Am 2. Juli brach an Bord ein Feuer aus und die Passagiere wurden von einem italienischen Schiff abgeholt und in ein für sie eingerichtetes Durchgangslager auf Rhodos gebracht, wo sie etwa sechs Wochen blieben. Im August bestiegen die Flüchtlinge die „Agios Nikolaos". Etwa 50 km vor der Küste von Eretz Israel wurden sie auf drei kleinere Schiffe umgeladen, die von den Briten entdeckt wurden. Eines von ihnen lief in Netanya auf Grund, und die anderen beiden wurden zum Hafen von Haifa gebracht, wo sie am 19. August ankamen, unter ihnen Leo Knesbach. Die Briten verhafteten die illegalen Einwanderer, doch Leo wurde schließlich freigelassen und ließ sich in Jerusalem nieder.
Osias, Jetti und Fanny, die in Wien geblieben waren, mussten ihre Wohnung im 14. Wiener Bezirk mit einer anderen jüdischen Familie teilen, bis die SS die Wohnung beschlagnahmte. Mitte Mai 1939 zogen sie in eine kleine Wohnung im 2. Bezirk, in der Juden leben durften. Fanny gelang es, eine Einreisegenehmigung für England zu erhalten, und sie reiste im Juli 1939 nach London. Sie erinnerte sich an den Abschied ihrer Eltern und schrieb:
„Die Türen wurden geschlossen, wir drängten uns an die Fenster. In letzter Minute Abschiedsrufe, Tränen, Beruhigungen, der letzte Pfiff und der Dampf, der ungeduldig aus der Lokomotive strömte. Wir bewegten uns. Ich hatte meinen Kopf rausgestreckt ... Ich wollte den Anblick der Gesichter meiner Eltern behalten. Ein paar Meter hielten sie mit meinem Fenster Schritt, während der Zug noch im Schritttempo fuhr.
„Weine nicht, Fannerle, wir freuen uns, dass du gehst!" und Tränen liefen Mamas Wangen hinunter.
„B'shana haba bi-Yrushalayim!" schrie Papa durch den zischenden Dampf. „Nächstes Jahr in Jerusalem!"
Der Zug fuhr an ihnen vorbei. Ich hielt mein Taschentuch auf Armeslänge aus dem Fenster und erhaschte einen letzten Blick auf sie. Zwei winzige Figuren. Dann machten mich die Tränen völlig blind… ‘Ich werde sie wahrscheinlich niemals wieder sehen!' „Niemals, niemals" ging der spöttische Rhythmus des Zuges.”
Fanny Stang, Fräulein Doktor, 1988, S. 216
Osias und Jetti blieben in Wien und planten, ihrem Sohn nach Eretz Israel zu folgen. Sie schlossen sich einer Gruppe von Flüchtlingen an, deren illegale Einwanderung von der Hehalutz-Bewegung in Wien organisiert wurde.
Im November 1939 bestieg die Gruppe kleine Schiffe, die auf ihrem Weg nach Rumänien auf der Donau fuhren, um von dort nach Eretz Israel weiterzufahren. Aufgrund des harten Winters steckten die Boote auf der gefrorenen Donau fest. Die Flüchtlinge konnten ihre Reise nicht fortsetzen und lagen im jugoslawischen Dorf Kaldovo vor Anker. Später wurden sie in die jugoslawische Stadt Šabac verlegt. Während dieser Zeit korrespondierten Osias und Jetti mit ihren Kindern. In einem Telegramm, das sie im Herbst 1941 über das Rote Kreuz an Leo schickten, schrieben sie: „Wir sind gesund. Viel Küsse und bleib gesund. Schreibe oft.” Dies war das letzte Lebenszeichen von Osias und Jetti.
1939 heiratete Fanny Maurice Stang. Nach dem Krieg wiederholte sie Teile ihres Studiums an der Universität von Glasgow in Schottland, erhielt die Erlaubnis, Medizin zu praktizieren und war viele Jahre als Ärztin in England tätig. 1988 erschien ihr Buch „Fräulein Doktor" in englischer Sprache, und 1979 erschien ihr Buch "A New Beginning", das die Geschichte ihres Lebens und ihres Kampfes als Ärztin erzählt. Fanny starb 2008 in London.
Yehuda Knesbach heiratete Yaffa Tkhorek in Jerusalem. Yaffa war in den 1920er Jahren mit ihrer Familie aus Polen nach Eretz Israel gekommen. Yehuda änderte seinen Familiennamen in Ben Yehoshua.
1996 reichte Fanny Knesbach-Stang bei Yad Vashem Gedenkblätter zum Gedenken an ihre Eltern Jetti und Osias Knesbach ein. Im Jahr 2019 überreichte Herzl Ben Yehoshua, Yehudas Sohn und Jetti und Yehoshuas Enkel, weitere Dokumente, Fotos und den letzten Brief, den sein Vater von seinen Eltern in Šabac erhalten hatte, Yad Vashem. Der Brief wird in dieser Ausstellung gezeigt.
Diese Ausstellung wird großzügig unterstützt von der Konrad Adenauer Stiftung.