„Viele Grüsse und Küsse von Deinem Vati"
Postkarten an einen kleinen Jungen der Kindertransporte
Berlin, 31. August 1939
„Mein lieber kleiner Henry
Ich bin froh, dass Du wohlauf und glücklich bist. Ich hoffe es wird nicht zum Krieg kommen.
Falls er doch ausbrechen sollte, möge Gott Dich segnen..."
Diese Zeilen schrieb Max Lichtwitz auf eine Postkarte an seinen siebenjährigen Sohn nach England. Am darauffolgenden Tag, dem 1. September 1939, marschierte die Wehrmacht in Polen ein. Es war die letzte einer ganzen Reihe von Postkarten, die er innerhalb von 7 Monaten an seinen Sohn schickte. Mit Ausbruch des Krieges kommt der Briefwechsel zu einem abrupten Ende. Nur sporadisch können Vater und Sohn von nun an über das Rote Kreuz kommunizieren.
Heinz Lichtwitz wurde am 12. Juni 1932 als einziger Sohn von Max und Ilse Lichtwitz in Berlin geboren. Nach dem Tod seiner Mutter im Jahre 1937 wird Heinz von seinem Vater und seiner Großmutter erzogen. Ende 1938 entschließt sich Max Lichtwitz, seinen Sohn mit den Kindertransporten nach England zu schicken. Als Heinz am 1. Februar 1939, im Alter von 6 Jahren, den Zug nach England besteigt, weiss er nicht, dass er seinen Vater zum letzten Mal sieht. Über die Niederlande gelangt Heinz nach England, wo er von Morris und Winnie Foner in Wales aufgenommen wird. Er nimmt den Namen Henry Foner an und beginnt, Englisch zu lernen. Regelmäßig erhält er Postkarten von seinem Vater aus Deutschland, zuerst auf Deutsch, später auf Englisch. Innerhalb weniger Monate hatte Henry seine Muttersprache fast völlig vergessen. Die Postkarten wurden von seiner Gastmutter Winnie in einem Album aufbewahrt, das Henry 2002 Yad Vashem übergab. Diese Ausstellung stellt eine kleine Auswahl der Postkarten und des Briefwechsels von Max und Heinz Lichtwitz vor.
Henry überlebte den Krieg in England, studierte später Chemie und wanderte 1968 nach Israel aus.
Sein Vater Max wurde am 9. Dezember 1942 nach Auschwitz deportiert und eine Woche später ermordet.
Die Postkarten drücken die Sehnsucht und Liebe eines Vaters aus, der gezwungen war, seinen Sohn in die Ferne zu schicken. Die farbenfrohen Bilder der Karten stehen in extremem Gegensatz zu der furchtbaren Realität und den Umständen, unter denen sie geschrieben wurden. Aus den Karten spricht die Hoffnung auf Heinz' Sicherheit und Wohlbefinden sowie die wachsende Befürchtung, den geliebten Sohn nie wieder zu sehen. Die furchtbare Zukunft erahnend, verfasste Max Lichtwitz im November 1941 einen Abschiedsbrief an einen Freund, in dem er schrieb: „Sage ihm (Heinz) bitte später einmal, dass ich ihn nur aus tiefer Liebe und Sorge um seine Zukunft fortgegeben habe, dass ich ihn aber auf der anderen Seite Tag für Tag auf das Schmerzlichste vermisst habe und dass mein Leben seinen Sinn verloren hat, wenn es nicht doch noch einmal eine Möglichkeit geben sollte, ihn wiederzusehen."
Alle Postkarten wurden von Yad Vashem veröffentlicht und sind hier erhältlich »