Vor einiger Zeit erreichte Yad Vashem ein Schreiben von Donna Mosevius Levinsohn aus New York:
„Es mag Sie interessieren, dass ein Mitglied der Familie Herzberg, deren Familiengeschichte Sie auf Ihrer Webseite erzählen, auch eine Rolle in meiner eigenen Geschichte gespielt hat. Philipp Kozower, Ehemann Gisela Herzbergs und Vorstandsmitglied der Reichsvereinigung Deutscher Juden [seit Februar 1939: „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“], später in Auschwitz ermordet, stellte meinem Großvater wenige Tage vor seiner Abreise in die USA 1941 ein Empfehlungsschreiben für seine zukünftige Tätigkeit in den USA aus. [...] Nur vier Monate später wurde die deutsche Grenze für Juden endgültig geschlossen.“
Zwei Berliner Familien, zwei Schicksale, über deren Verflechtung ein einziger Brief Zeugnis ablegt.
„Herr Mosevius hat mit organisatorischem Geschick und Tatkraft die mannigfachen schwierigen Aufgaben, die ihm oblagen, behandelt und mit starkem sozialen und jüdischen Verständnis die Interessen der ihm anvertrauten Auswanderer, ausländischen Staatsangehörigen und staatenlosen Juden wahrgenommen. [...] Er war beliebt bei seinen Mitarbeitern und Untergebenen und besonders geschätzt von den Mitgliedern des Vorstands.“
Der Brief trägt die Unterschrift Philipp Kozowers und ist auf den 18. Mai 1941 datiert.
Zur Familie Herzberg gehörten die drei Schwestern Gisela, Hilde, Ruth und ihr Bruder Sally. Ruth und Gisela feierten am gleichen Tag Hochzeit. Gisela heiratete Philipp Kozower, der später das Empfehlungsschreiben an Donnas Großvater ausstellte. Ruth überlebte als einziges Mitglied der Familie Herzberg den Holocaust. Sie kam als Zwangsarbeiterin in die Siemenswerke. Ihr Mann war Pharmazist im jüdischen Krankenhaus in Berlin, in dem Juden und Kinder aus Mischehen behandelt wurden, und blieb so von der Deportation verschont. 1947 wanderte die Familie in die Vereinigten Staaten aus.
Philipp, Gisela und ihre drei Kinder werden 1943 nach Theresienstadt verschleppt. Philipps hohe Stellung in der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland ermöglicht es der Familie, in Theresienstadt gemeinsam in einem Zimmer unterzukommen – ein seltener Luxus im Lageralltag der Häftlinge. Im Zimmer stehen ein Tisch, Stühle und sogar ein Ofen. Im Lager wird Philip Kozower zum Postdirektor ernannt und kann so regelmäßigen Kontakt mit den Familienmitgliedern in Berlin aufrechterhalten. Aus Berlin schickt Ruth ihrer Schwester Gisela Mehl, trockenes Gemüse, Tomatenmark, Getreide, Kartoffeln und andere Grundnahrungsmittel, die es bis Anfang 1944 noch zu kaufen gibt. Gisela „zaubert“ daraus schmackhafte Speisen. Im Herbst 1944 wird die Familie Kozower von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Giselas Bruder Sally und seine Freundin Golly Grünberg gelangen ebenfalls über Theresienstadt nach Auschwitz. Sally stirbt dort, Golly überlebt. Hilde Herzberg, ihr Mann und ihre Kinder kommen im Ghetto Kaunas um.
Der Adressat des Empfehlungsschreibens, Ernst Mosevius, und seine Frau Dora hatten Glück und schafften es, sich in die USA zu retten. Weitere Angehörige der Familie, Großeltern, Tanten, Onkel und Cousins Donna Mosevius Levinsohns, überlebten nicht.