Historischer Hintergrund
Nachdem zuerst in Deutschland Konzentrationslager aufgebaut wurden, wurden im Verlauf des Zweiten Weltkriegs viele weitere Lager – Konzentrations-, Arbeits- und Durchgangslager – in ganz Europa aufgebaut. In diesen Lagern wurden hunderttausende Häftlinge eingesperrt, die meisten von ihnen wurden ermordet. In den Arbeitslagern wurden hunderttausende Jüdinnen und Juden und Nicht- Jüdinnen und Nicht-Juden zu schwerer Arbeit herangezogen. Durchgangslager, wie z.B. Westerbork und Drancy, dienten als vorläufige Sammelpunkte für Jüdinnen und Juden, die von dort aus in die Vernichtungslager in Osteuropa verschleppt wurden.
Erfahrungen von Naftali Fürst
Naftali Fürst ist 1932 in Bratislava geboren. Er wurde gemeinsam mit seinen Eltern und dem etwas älteren Bruder Shmuel in ein Arbeitslager in der Südslowakei deportiert und im November 1944 nach Auschwitz. Dort wurde die Familie getrennt, und Anfang 1945 kam Naftali im Zuge der Evakuation aus Auschwitz in das Konzentrationslager Buchenwald, wo er befreit wurde. Seine Eltern und sein Bruder überlebten. Sie wanderten alle nach Israel ein.
Naftali beschreibt seine Zeit als Kind im Lager Sered folgendermaßen:
„Jedes Kind über 12 Jahren musste mindestens vier Stunden pro Tag arbeiten. Dennoch fanden wir genügend Zeit, um neue Freundschaften zu schließen und mit anderen Kindern zu spielen.“
Als die Familie nach Auschwitz deportiert wurde, wurden die Brüder zuerst von der Mutter und dann vom Vater getrennt, der im Hauptlager bleiben musste, während sie in den Kinderblock gebracht wurden. Nach der Trennung von den Eltern, wurde Shmuel von seinem Vater die Verantwortung für den kleineren Bruder Naftali übertragen. Dies ist ein Beispiel das zeigt, wie während der Shoah die Kindheit abrupt endete und aus Kindern gleichsam über Nacht Erwachsene wurden („sudden maternity“).
„Nach einiger Zeit wurde uns befohlen, mit den anderen Kindern und Jugendlichen in den Kinderblock zu ziehen. [...] Die Trennung von unserem Vater, der im zentralen Teil des Lagers verblieb, erfüllte uns mit Entsetzen. Shmuel und ich wurden von unbeschreiblicher Angst gepeinigt. [...] Dort im Kinderblock waren wir zum ersten Mal allein mit Furcht und Terror konfrontiert. Einmal – wir haben nie erfahren, unter welchen Umständen genau das möglich war – erschien mein Vater bei der rückseitigen Luke unseres Blocks. Er teilte uns mit, dass er aus Birkenau deportiert werden sollte, und sagte uns Lebewohl. Er blickte in Shmuels Augen, und Shmuel verstand, dass er nun die Verantwortung übernehmen musste. Als wir noch in Sered gewesen waren, als mein Vater nicht im Lager und wir mit unserer Mutter zusammen waren, hatte er schon einmal erlebt, wie es ist, das Familienoberhaupt zu sein. In Birkenau war die Lage jedoch eine völlig andere. Unsere Eltern waren nicht mehr bei uns, und Shmuel wurde die Verantwortung übertragen. Vielleicht hat ihm das Verantwortungsgefühl Kraft verliehen, für seinen kleineren Bruder zu sorgen, statt mit seinen eigenen Gefühlen zu hadern. Rückblickend hat Shmuel bestätigt, dass ihm das geholfen hatte, die Stunden und Tage der Verzweiflung zu überstehen.“
Auf folgender Website können Sie noch mehr Informationen und auch Fotos zu der Familie Fürst bekommen.
Arbeitsvorschläge für Lerngruppen
- Welche Rolle spielte die Familie für die Brüder Fürst?
- Was bedeutete die Trennung von den Eltern für die beiden?
- Wie beschreibt Naftali die neue Rolle seines Bruders
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