Elijahu Ben-Jehuda (Erich Stiefel) wurde 1914 in Gelsenkirchen als Kind einer Familie geboren, die seit Jahrhunderten in Deutschland lebte. Sein Vater Leon kämpfte im Ersten Weltkrieg in den Reihen des deutschen Heeres. Während des Krieges zog seine Mutter Helene zusammen mit dem kleinen Erich in ihr Elternhaus in Salzwedel. Nach dem Krieg schloss sich Leon der Familie in Salzwedel an und ernährte sie durch den Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen.
1919 bekamen Leon und Helene eine Tochter, Ilse. 1929 kehrte die Familie nach Gelsenkirchen zurück. Erich ging dort zur Schule und war ein ausgezeichneter Sportler, der sich in einer Vielzahl von Sportarten wie Fußball und Boxen hervortat. Auch im Jüdischen Pfadfinderbund war er aktiv. Über die Art, wie er trotz der antisemitischen Atmosphäre in der Schule behandelt wurde, erzählte er:
„Ich war ein guter Sportler, ich spielte Fußball und beherrschte alle möglichen Arten von Geräten usw., also respektierten sie mich. Außerdem war ich sehr stark, und das respektierten sie auch. Sie respektierten mich, weil ich ein ausgezeichneter Sportler war. Bei jeder Gelegenheit, bei jedem Wettbewerb zwischen den Schulen. … immer haben sie mich geschickt, und ich habe ihnen Pokale gebracht. … Ich war Mitglied einer jüdischen Sportorganisation, „Hakoah" („Die Stärke"), dort gab es eine Boxabteilung. … Mein Sportlehrer war ein Nazi. Er war ein Nazi, noch bevor Hitler an die Macht kam. In der Sportprüfung gab er mir ein „Sehr gut"."
Im Januar 1933, als Hitler an die Macht kam, fielen nationalsozialistische Randalierer über Leon her, verprügelten ihn und raubten ihn aus. Es handelte sich um Geschäftskonkurrenten. Leon floh aus Deutschland in die Niederlande, gefolgt von Frau und Tochter. Erich blieb bei seinen Großeltern, um die Schule zu beenden und sein Abitur abzulegen. 1934 floh er zu Eltern und Schwester nach Amsterdam. Dort wurde ihm klar, wie schwer das Leben seiner Eltern als Flüchtlinge war, und er kam zu dem Schluss, dass seine Zukunft in Eretz Israel (Britisches Mandatsgebiet Palästina) läge. Erich trat der Pionierbewegung „Hechaluz" und dem großen Hachschara-Hof Werkdorp (niederl. „Arbeitsdorf") in Wieringermeer (Holland) bei. Nach zwei Jahren erhielt Erich ein Einwanderungszertifikat von einem landwirtschaftlichen Unternehmen in Eretz Israel, das Kühe aus den Niederlanden kaufte und Pioniere benötigte, die die Kühe auf der Überfahrt begleiten konnten. Im Januar 1936 kam Erich auf einem Frachtschiff in Eretz Israel an.
Erich trat der Jugendbewegung „Tnuat Hachugim" bei, ließ sich im Kibbuz Beit Haschita nieder und schloss sich der Haganah an. Als Jugendliche aus Deutschland ankamen, wurde Erich Jugendbetreuer in Ein Harod und brachte ihnen Hebräisch bei. 1940 verpflichtete er sich zum Dienst in der britischen Armee und wurde in Ägypten stationiert. Ende 1944 wurde er in der jüdischen Brigade eingesetzt, gelangte nach Italien und nahm an den Schlachten am Senio teil. Nach der Befreiung Italiens ging Erich in die Niederlande, nach Belgien und Frankreich. Im Oktober 1945 kam er ins DP-Lager Bergen-Belsen. Inzwischen hatte er erfahren, seine Eltern Leon und Helene Stiefel seien im Konzentrations- und Durchgangslager Westerbork in den Niederlanden inhaftiert gewesen und im Februar 1943 nach Auschwitz deportiert worden. Seine Schwester Ilse hatte es geschafft, aus den Niederlanden nach England zu fliehen.
Erich und vier seiner Kameraden von der Jüdischen Brigade wurden Lehrer an der Grundschule, die in Bergen-Belsen eingerichtet worden war. Er organisierte Sportstunden für die Schüler. Malka Gotferstein, die Sportlehrerin, die er rekrutierte, wurde später seine Ehefrau. Im Januar 1946 zog Erich mit einer Gruppe von Kindern nach Blankenese. Er erinnerte sich:
„Es gab eine Tagesschule und ein Internat…. Ich war der Leiter des Internats. … Ich habe dieses Internat wie eine Armee geführt. Warum? Um diesen Jugendlichen Disziplin beizubringen. Schließlich hatten sie keine Ahnung, was Disziplin ist. Es herrschte ein totales Chaos. Es gab bei uns einen Morgenappell, ein Motto für den Morgen, es gab gut geplante Ausflüge, und natürlich lernten sie. … Wir Israelis [sic] bemerkten den Hass gegen die Deutschen, der dort herrschte. Schließlich lag Blankenese in einer deutschen Stadt, und wir machten dort Ausflüge. … und segelten auf der Elbe. … Aber wenn wir Deutschen begegneten, mussten wir auf der Hut sein, dass die Kinder nicht über sie herfielen, weil sie sie so sehr verabscheuten. Man kann es verstehen. Aber ich war besorgt, die Briten würden kommen und die Schule schließen, falls es solche Vorfälle gäbe. … Dort in Blankenese gingen die ersten Zertifikate für die Einwanderung nach Eretz Israel ein. … Damals war ich offiziell noch Soldat der britischen Armee, trug aber keine Uniform.”
Im Sommer 1946, als die jüdische Brigade aufgelöst wurde, kehrte Ben Jehuda nach Eretz Israel zurück und ließ sich in Tel Jizchak nieder. Er wurde Lehrer, Erzieher und Leiter einer Schule in Netanja. Malka und er bekamen drei Söhne. Er schließt seine Zeugenaussage wie folgt:
„Ich habe viel durchgemacht. … Aber ich bin ein Optimist. … Ich hoffe, dass wir trotz allem die Schwierigkeiten überwinden. … Dass all die Kriege, die wir geführt haben, nicht umsonst gewesen sind.
Auch unsere Teilnahme am Zweiten Weltkrieg auf jeden Fall … Das jüdische Volk, das von allen Seiten so viele Schläge eingesteckt hat, von allen Völkern, und da, in diesem Krieg, hat das jüdische Volk im militärischen Rahmen, in der Jüdischen Brigade, den Völkern der Welt gezeigt, dass das jüdische Volk weiß, wie man kämpft, wie man seine Würde bewahrt, dass es weiß, wie man einen Staat gründet, einen eigenen Staat, und wie man ungedemütigt unter den Völkern steht.”