Eine der wichtigsten Aufgaben, die Yad Vashem auf sich genommen hat, sind die Namen der Holocaustopfer zu sammeln. 4,7 Millionen Opfer sind bis heute identifiert, ihre Namen in der Halle der Namen aufgezeichnet, um das Andenken an sie zu bewahren. In den meisten Fällen haben die Opfer nichts zurücklassen können: nur die biographischen Eckdaten und ihre Namen konnten rekonstruiuert werden. Mehr wissen wir über die meisten Opfer heute nicht. Doch gibt es auch Fälle, in denen mehr hinterlassen wurde, eventuell Familienbilder, ein Tagebuch oder andere Sachen, die uns ein Bild von dem Leben dieser Opfer geben können. Im Yad Vashem Archiv befinden sich Tausende persönliche Briefe, die in der Zeit des Holocaust geschrieben wurden, von Erwachsenen und Kindern, im Versteck, auf der Flucht oder in den Lagern. Zum Teil sind dies die letzten Briefe, die von den Verfolgten verfasst wurden und geben uns einen Einblick in das Leben dieser Menschen, in ihre Gefühle, Ӓngste, Hoffnungen und Sehnsüchte.
Ida Goldiş war 24 Jahre alt, als sie mit ihrem 3 Jahre alten Sohn Vili und ihrer jüngeren Schwester Doba aus dem Ghetto Kischinew deportiert wurde. Am Tag vor der Deportation aus dem Ghetto hatte Ida einen Abschiedsbrief an ihre ältere Schwester Clara geschrieben:
„Lebt wohl, meine Lieben! Meine geliebte Mutter, mein guter Vater, Ihr wart der erste Sonnenstrahl, der mein Leben erwärmte. Ich verstand nicht, mein Leben zu schützen, ließ alles zurück, ohne auch nur einen Blick hinter mich zu werfen. Ich war zu voll von Illusionen über die Zukunft, um zu verstehen, dass ich ein Glück aufgab, das ich nie zurückbekommen würde... Ich bedaure aus tiefster Seele, das ich beim Abschied die Bedeutung des Augenblicks nicht erfasste, dass ich Euch nicht lange, lange betrachtet habe, damit sich Euer Bild tief in meine Seele einprägt, dass ich Dich nicht fest umarmt habe, ohne loszulassen."
Auf dem Weg nach Transnistrien, den sie zu Fuß zurücklegen mussten, erfror Vili Anfang 1942, Ida starb kurz darauf. Ihre jüngere Schwester Doba überlebte und wanderte später nach Israel aus. Ihre Tochter Yehudit übergab den auf Rumänisch geschriebenen Brief an Yad Vashem.