Lehrer, die während des Holocaust Juden retteten
„Ihr Schicksal wird auch das meine sein“

Johan (Joop) Westerweel

Niederlande

Johan (Joop) Westerweel Joop Westerweel mit zweien seiner Kinder Wil Westerweel mit ihren Kindern Der Baum, der zu Ehren Johan Gerard und Wilhelmina Dora Westerweels gepflanzt wurde. Yad Vashem, 2014

Johan (Joop) Westerweel begann seine Laufbahn als Lehrer in Niederländisch-Ostindien, wurde aber von dort ausgewiesen, weil er aufgrund seiner pazifistischen Überzeugungen den Militärdienst verweigerte. Seine streng christliche Herkunft – seine Eltern gehörten der Derbisten-Gemeinschaft, einer nicht-anerkannten protestantischen Sekte, an – flößte ihm einen umfassenden Gerechtigkeitssinn und einen Glauben an das Gute im Menschen ein. Nach seiner Rückkehr nach Holland begann Westerweel, in einer Schule am Werkplaats in Bilthoven zu unterrichten, wo die fortschrittlichen, neuartigen Lehrmethoden ihres Gründers, Kees Boeke, praktiziert wurden. In Bilthoven kamen die Westerweels in Kontakt mit jüdischen Flüchtlingskindern, die in den dreißiger Jahren, überwiegend aus Deutschland, nach Holland gekommen waren. 1940 zogen Joop und seine Frau Wilhelmina (Wil) nach Rotterdam, wo man Joop eine Stelle als Leiter einer der Montessori-Schulen angeboten hatte.

1942 hatte das Paar bereits vier Kinder. Nichtsdestotrotz widmeten es sein Leben der Hilfeleistung für andere, indem es jüdischen Kindern Zuflucht gewährte. Joops Kollegin und Freundin vom Werkplaats, Mirjam Waterman (später Pinkhof), stellte ihn einer Gruppe junger chaluzim (zionistischer Pioniere) in Loosdrecht bei Amsterdam vor. Joop erkannte den großen Idealismus und die starken Prinzipien dieser Gruppe und fühlte sich sehr zu ihr hingezogen. Als die Loosdrechter Gruppe am 15. August 1943 vom Judenrat gewarnt wurde, man sei im Begriff, sie zu deportieren, waren Joop und seine Freunde, die unter dem Namem „Westerweel-Gruppe“ bekannt wurden, zur Stelle und verschafften jedem einzelnen der 50 Mitglieder ein Versteck. 33 überlebten den Krieg, die anderen wurden denunziert und deportiert.

Da sie verstand, dass es nicht ausreichte, die Juden zu verstecken, um ihnen das Leben zu retten, begann die Westerweel-Gruppe, Wege zu ersinnen, ihnen zu helfen, aus niederländischem Territorium zu entfliehen. Im Dezember 1943 führte Joop eine Gruppe Chaluzim nach Frankreich. Am Fuß der Pyrenäen, in einer dramatischen Ansprache an die jungen Chaluzim, bat er sie zum Abschied eindringlich, das Leiden in der Welt im Großen nicht zu vergessen. Er ermahnte sie, allen Bewohnern des künftigen jüdischen Staates Freiheit und Würde zu gewähren. „Nie wieder Krieg“, waren seine letzten Worte, als sie sich trennten.

Im Verlauf desselben Monats wurde Wil bei einem Versuch festgenommen, Lettie Rudelsheim (später Ben Heled), eines der aktivsten Mitglieder der Chaluz-Gruppe, aus dem Gefängnis in Scheveningen zu befreien. Nach der Festnahme seiner Frau brachte Joop seine vier Kinder bei Freunden der Familie unter, gab seine Stelle bei der Montessori-Schule auf und ging in den Untergrund. Am 11. März 1944 wurden Joop und sein Mitarbeiter Bouke Koning mit zwei jüdischen Frauen, die sie begleiteten, an der belgischen Grenze festgenommen. Joop wurde im Lager Vught interniert und gefoltert. Bald wurde er für viele Mitgefangene ein spiritueller Führer – seine unerschöpfliche Lebensfreude im Angesicht der Brutalität des Lagerlebens gaben den Menschen in seiner Umgebung Hoffnung und Kraft. Sein letzter Dialog mit der Außenwelt geschah in Form eines Gedichts mit dem Titel „Avond in de Cel“ (Abend in der Zelle), geschrieben im Juli 1944. Das Gedicht war voller Optimismus: es handelte von der Schönheit der Natur und einem Leben der Erfüllung und der inneren Überzeugung. Am 11. August 1944 wurde Joop Westerweel im Konzentrationslager Vught hingerichtet. Seine Frau, die sich im selben Lager befand, musste die Hinrichtung ihres Mannes miterleben. Sie überlebte die Lagerhaft und kehrte nach dem Krieg zu ihrer Familie zurück.

Eines der Kinder der Familie Westerweel, Marta, ließ sich in Israel nieder, wo sie viele von denen traf, die dank ihres Vaters überlebt hatten. „Ich war dreieinhalb Jahre alt, als mein Vater festgenommen wurde und fünf, als man ihn hinrichtete. Eigentlich habe ich ihn nie richtig gekannt. In den Niederlanden war ich ein vaterloses Kind; hier in Israel bin ich zur Tochter meines Vaters geworden.“, sagt sie. Von den Überlebenden hörte sie Geschichten über ihren Vater. „Ich weiß, dass die Überlebenden schreckliche Tragödien durchgemacht haben“, sagt sie, „aber in gewisser Weise beneide ich sie, denn sie kannten meinen Vater.“

Am 16. Juni 1964 wurden Johan Gerard Westerweel und seine Frau, Wilhelmina Dora Westerweel-Bosdriesz, von Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern anerkannt.