„Und ihnen will ich in meinem Hause und in meinen Mauern ein Denkmal und einen Namen („Yad Vashem") geben … der nicht getilgt werden soll"
(Jesaja 56: 5)
Dieser Vers aus dem Buch Jesaja verkörpert Yad Vashems Mission, den Opfern ihre Namen wiederzugeben. Jedes Holocaustopfer hatte sowohl einen Namen als auch eine Geschichte, genau wie jeder andere Mensch, der jemals auf dieser Erde gelebt hat. Sie waren Individuen wie alle anderen, mit Hoffnungen und Träumen. Die Täter des Holocaust versuchten nicht nur, ihr Leben zu zerstören, sondern auch ihre persönliche Identität auszulöschen. Yad Vashem, die Internationale Holocaust Gedenkstätte, arbeitet seit Jahrzehnten unermüdlich daran, dass dies niemals geschieht und dass die Erinnerung an den Holocaust nicht auf die Seiten der Geschichtsbücher verbannt wird.
Wohl kein anderer ist sich in Yad Vashem der Bedeutung dieser Mission so bewusst wie Dr. Alexander Avram, Direktor der Halle der Namen und der Zentralen Datenbank der Namen der Holocaustopfer. Seit über drei Jahrzehnten leitet er dieses einzigartige Programm, das durch sorgfältige Forschung versucht, das komplexe Puzzle des Holocaust wieder zusammenzusetzen.
„Diese Arbeit ist nicht ohne Herausforderungen - in mancher Hinsicht ist sie eine 'Mission impossible' -, aber wir sind entschlossen, sie so weit wie möglich zu erfüllen", erklärt Dr. Avram.
Yad Vashem im Allgemeinen und die Halle der Namen im Besonderen sind ein lebendiges Denkmal, das vom Staat Israel und dem jüdischen Volk als Hommage an die sechs Millionen jüdischen Männer, Frauen und Kinder errichtet wurde, die während des Holocaust ermordet wurden. Die Halle der Namen befindet sich am Ende des Museums zur Geschichte des Holocaust und symbolisiert das Gedenken an den Holocaust. Der kreisförmige Raum, der vom weltberühmten Architekten Moshe Safdie entworfen wurde, ist mit Gedenkblättern gefüllt, die die Namen und biografischen Informationen von rund 2.700.000 einzelnen Opfern des Holocaust enthalten.
Yad Vashem hat anhand dieser Gedenkblätter und anderer im Laufe der Jahre gesammelter Dokumentationsformen eine Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer eingerichtet, die bislang mehr als 4.800.000 Namen von Opfern enthält, die von den Nazis und ihren Komplizen ermordet wurden. Trotz der anhaltenden Bemühungen engagierter Mitarbeiter enthält die Halle immer noch leere Regale, was die Besucher bedrohlich daran erinnert, dass noch über eine Million Identitäten gefunden werden müssen.
Die Decke der Halle ist ein 10-Meter-Kegel, der in den Himmel reicht und eine auffällige Collage von rund 600 Fotografien auf dem Hintergrund von Gedenkblättern zeigt: Porträts von Männern, Frauen und Kindern, die während des Holocaust ermordet wurden, nur weil sie Juden waren. Jedes ihrer Gesichter ist eine sichtbare Erinnerung daran, dass die sechs Millionen ermordeten Juden aus allen Lebensbereichen stammten und jemandes Bruder, Schwester, Vater, Mutter, Kind oder Freund waren.
Die erste Initiative wurde zu einer internationalen Mission
Schon vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs erkannten die Menschen, wie wichtig es ist, die individuellen Erfahrungen der Opfer des Holocaust zu sammeln und aufzuzeichnen. Auf dem Höhepunkt der Verfolgung und Ermordung der Juden Europas und Nordafrikas wurden Tagebücher, Briefe und Dokumente aufbewahrt, um sicherzustellen, dass die Erinnerungen und Namen erhalten bleiben. Unmittelbar nach dem Krieg wurden Überlebende in den DP-Lagern und diejenigen, die im Land Israel ankamen, interviewt und die Namen der Toten gesammelt.
Was als kleine Initiative begann, entwickelte sich zu einer zentralen Mission von Yad Vashem, das 1953 von der Knesset (dem israelischen Parlament) gegründet wurde. Die ernsthaften Bemühungen zur Wiederherstellung von Namen begannen zwei Jahre später, als in Israel eine offizielle Kampagne gestartet wurde, in der Überlebende und Familienmitglieder aufgefordert wurden, Gedenkblätter mit den Namen und biografischen Details der Opfer auszufüllen, die sie kannten. In nur zwei Jahren wurden rund 800.000 Namen von Holocaustopfern gesammelt. „Zu Beginn erhielten wir weniger Gedenkblätter, da die Namen von Kindern und ihren Eltern zu dieser Zeit zusammen aufgezeichnet wurden", erklärt Dr. Avram. „Wir haben seitdem beschlossen, dass jeder Einzelne sein eigenes Gedenkblatt erhalten sollte."
In den folgenden Jahren wurde die Kampagne mit Unterstützung israelischer Botschaften und Missionen in Diaspora Gemeinschaften in weiten Teilen der westlichen Welt, einschließlich Europa, Nord- und Südamerika, Australien und Südafrika, fortgesetzt.
In den achtziger Jahren sammelte Yad Vashem jedes Jahr rund 15.000 neue Gedenkblätter. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Ende des Sowjetregimes Anfang der neunziger Jahre stieg die Zahl der eingehenden Gedenkblätter sehr an. Dank des verbesserten Zugangs zu Informationen in ehemaligen Sowjetblock Ländern wie Russland, Rumänien und Polen wurden gut 35.000 Gedenkblätter pro Jahr eingereicht.
Der nächste große Schritt kam 1992, als Yad Vashem begann, Namen von Holocaustopfern aus verschiedenen Quellen zu sammeln. Zwischen 1992 und 1998 wurden ungefähr 470.000 Namen von Gedenkblätter digitalisiert; Zehntausende zusätzliche Namen wurden aus anderen Datenquellen zusammengetragen, einschließlich Listen von Deportationen aus Frankreich und den Niederlanden sowie aus Lagern und Ghettos, die Yad Vashem im Laufe der Jahre erhalten hatte.
Die Geburt der Datenbank
1998 erschütterte ein Skandal die Welt, als festgestellt wurde, dass es bei Schweizer Banken rund 300.000 nicht beanspruchte Bankkonten gab. Viele der Inhaber waren Holocaustopfer. Nach weiteren Ermittlungen fragten die Banken nach den Namen der jüdischen Eigentümer, damit ihre Nachkommen einen Anspruch geltend machen konnten. Dr. Avram erinnert sich:
„Die Welt entdeckte, was wir schon lange gewusst hatten. Wir waren uns einig, dass es sechs Millionen jüdische Opfer gab, aber es gab keine umfassende Liste ihrer Namen."
Mit den 500.000 Namen, die bereits zusammengetragen worden waren, übernahm Yad Vashem die große Verantwortung, zusätzliche Namen zu sammeln. Von Februar bis Juni 1999 wurden mit Hilfe von Tadiran, IBM und Manpower Israel tausend Menschen, in erster Linie Studenten, für das Projekt eingestellt, und sie digitalisierten mehr als eine Million zusätzliche Namen aus den Gedenkblättern. Kreuzproben mit der Liste der nicht beanspruchten Konten identifizierten über 54.000 ehemalige jüdische Eigentümer von Schweizer Bankkonten.
Im April 1999 wurde eine neue Aktion gestartet, um mehr Namen von Holocaustopfern zu sammeln, insbesondere in Israel. Die erste Ankündigung der Aktion kam vom damaligen Präsidenten des Staates Israel, Ezer Weizman. Weitere erfolgten über Radio, Fernsehen und Presse. Es wurden extra 2 Hotlines eingerichtet, um die Aktion zu unterstützen. Der Erfolg zeigte sich sofort: Am ersten Tag musste Bezeq (Israels Telefongesellschaft) 20 zusätzliche Leitungen installieren. „Im Laufe der nächsten zwei Monate wurden fast 150.000 neue Gedenkblätter aus der Öffentlichkeit gesammelt", erinnert sich Dr. Avram. Bis zum Jahresende wurden insgesamt 380.000 neue Namen registriert.
Dieser Blog wird großzügig unterstützt von der Konrad-Adenauer-Stiftung