Das sechste der Zehn Gebote, das den Israeliten auf dem Berge Sinai gegeben wurde – „Du sollst nicht töten“ – wurde im Laufe der menschlichen Geschichte mehrfach übertreten, doch niemals so systematisch und kaltblütig, wie gegen die Juden im Holocaust. Angesichts des Genozids am Jüdischen Volk, grübelt der Künstler Samuel Bak nicht nur über die Bosheit des Menschen und die Ungerechtigkeit, Unschuldige zu ermorden, sondern ringt auch mit einer anderen fundamentalen Frage – das Schweigen Gottes, trotz der Verpflichtung durch das Bündnis.
Diese Frage peinigte den Künstler im Laufe der Jahre. Als Resultat taucht der Berg Sinai mit all seinen Symbolen, insbesondere in den 70er Jahren, in vielen Werken auf. Unverkennbar ist dieses Ereignis nicht in der europäischen Umgebung verhaftet. Das Jüdische Volk nahm seinen Anfang in dem, an das Land Israel angrenzenden, Wüstenstreifen.
1999 kehrte Bak kurz zu der Thematik des Berges Sinai zurück, doch nun mit einem neuen und interessanten Ansatz. Dieser Berg Sinai stellt weder Tafeln noch Gräber dar – er stellt die Figur eines Kindes dar, das seine Arme sich ergebend hochhebt – das Kind mit den erhobenen Armen, als ob sie an ein Kreuz genagelt wären. Dies ist die wohl bekannte Ikone des Jungen aus dem Warschauer Ghetto, der im Todeslager Treblinka ermordet wurde. Die vollständige Identifikation mit ihm veranlasst Bak, sich über sein eigenes, besseres Schicksal und die Tatsache, dass er, Samuel Bak, überlebt hat, zu wundern. Das Kind Bak fragt sich noch immer, wann es sich mit dem Schöpfer versöhnen wird, wann es eine Entschuldigung hören wird und wann es aufhören wird, das Bündnis in Zweifel zu ziehen.