„Wenn wir im Zuge sitzen und am Bestimmungs-Ort angelangt sind, werden wir Euch Mitteilung machen [...]“
Dies schrieb Berta Keller-Moses in ihrem letzten Brief, am Vorabend ihrer Deportation von ihrem Zuhause in Aachen ins Ghetto Theresienstadt, an ihre Söhne Kurt und Siegfried.
Berta Baum und Max Keller hatten 1919 geheiratet. Sie lebten im Dorf Warden im Rheinland. Es gab fünf jüdische Familien im Dorf. Familie Keller führte ein traditionelles jüdisches Leben. Max hatte Landbesitz und war im Viehhandel tätig. Berta und Max hatten zwei Söhne, Kurt (geb. 1920) und Siegfried (geb. 1923). Im Ersten Weltkrieg diente Max im Deutschen Heer und wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Durch einen Senfgasangriff wurde er verletzt und kam nie wieder zu Kräften. 1925 starb er.
1938 gingen Kurt und Siegfried getrennt auf Hachscharot (Ausbildungsstätten für junge Pioniere). Kurt schaffte es, von Deutschland nach Schweden zu gelangen. Siegfrieds Hachschara in Steckelsdorf wurde in der Kristallnacht beschädigt, und er floh zu seiner Mutter ins Dorf. Berta verkaufte Haus und Land und zog mit Siegfried ins nahe Aachen. Im März 1939 nahm Siegfried von Berta Abschied und wanderte mit der Jugend-Alija nach Eretz Israel (Mandatspalästina) aus. Er sah seine Mutter nie wieder.
1940 heiratete Berta Philipp Moses. Trotz Philipps Wohlstand und der Tatsache, dass er einen Sohn und andere Verwandte in den USA hatte, gelang es Berta und Philipp nicht, Deutschland zu verlassen.
Am 25. Juli 1942 wurden Berta und Philipp ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Philipp wurde Ende August ermordet. Im Januar 1943 wurde Berta nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. 1992 reichte Schimon (Siegfried) Keller ein Gedenkblatt für seine Mutter Berta ein. 2013 übergab Schimon im Rahmen des Projekts „Die Scherben aufsammeln“ die Briefe seiner Mutter für die Nachwelt an Yad Vashem.
Unsere lieben Kinder,
Ihr werdet unsere letzte Karte wohl erhalten haben, welche wir schon zum Abschied schrieben, da wußten wir [...] noch nicht bestimmt den Tag.
Wie Euch schon der l. Vater schreibt, also am 25. fahren wir ab.
So wird unser Wiedersehen vielleicht schon näher sein, als wir ahnen.
Nun senden wir Euch zum Abschied noch ein Bild von uns und hoffen dass Ihr selbiges erhaltet.
Ihr sollt doch auch den l. Vater kennenlernen & hoffen wir bestimmt dieses bald persönlich geschehen wird.
Nun meine lieben Kinder lebt wohl & betet für uns und der lb. Gtt. wird ferner seine schützende Hand über uns halten sowie auch über Euch.
L. Betty auch für Deine l. Eltern und Geschwister wünschen wir alles Gute.
Wenn wir im Zug sitzen und am Bestimmungs-Ort angelangt sind werden wir Euch Mitteilung machen, wenns nur eben [...].
L. Kurt schreibe an l. Siegfried wir kommen etwas näher zu ihm. Vielleicht führt der lb. Gtt. uns [...] dort zusammen! Ich denke jetzt nur an das Glück, dass Gtt. uns zusammengeführt und so eine liebevolle Umgebung habe, an meinen so innigst liebenden Mann. Mein Bild ist nicht so gut getroffen, es waren Passbilder, jedoch werdet Ihr mich darauf erkennen.
Nun nochmals in innigster Liebe und Herzlichkeit schließe ich Euch in meinem Herzen ein und seid tausendmal [...] geküsst
Eure Euch liebende Mutter
Philipp fügte hinzu:
Ebenfalls recht herzlicht Gruesse mit [….]
Euer Vater
Lieber Kurt. Wenn Du mit Walter Verbindung hast schreibe ihm jede Adressenaenderung von Dir u. Ihm
d.V.