„ Habt Ihr daran gedacht, die Kohleration abzuholen?
(Seit ihr sicher), dass ihr alles aus dem Ladenlager mitgenommen habt?
Wir werden uns bald wiedersehen.“
Dies schrieb Isaac Joseph Kornowski an seine Frau und seine Söhne auf einer Postkarte, die er 1941 aus dem Lager Drancy schickte. Auf der Postkarte bat er, jeder solle ein paar Worte in seiner eigenen Handschrift schreiben, damit er sicher sein könne, es gehe ihnen allen gut und sie seien zusammen zuhause in Paris.
Isaac und Chaya Kornowski waren aus der Lodzer Gegend in Polen nach Frankreich eingewandert und lebten im 20. Arondissement in Paris. Gegenüber ihrer Wohnung hatten sie ein kleines Geschäft, wo sie maßgeschneiderte Kleidung anfertigten. Isaac war Schneider, Chaya Schneiderin. 1926 wurde ihr erster Sohn, Paul, geboren, und etwa drei Jahre später bekamen sie einen zweiten Sohn, Henri.
Im Sommer 1941 hielten sich Chaya und die Söhne wie jedes Jahr in einem Dorf außerhalb von Paris auf, und Isaac kam sie jedes Wochenende besuchen. Ende August 1941 wurden am Stadteingang von Paris Straßensperren errichtet, und alle Durchfahrenden wurden einer Ausweiskontrolle unterworfen. Isaacs Ausweis trug einen Stempel, der ihn als Jude identifizierte. Bei der Rückkehr wurde er an der Straßensperre festgenommen und im Lager Drancy interniert. Seine Familie bekam eine Postkarte von ihm. Ein Brief von ihm traf am Vorabend seiner Deportation aus dem Lager Compiègne nach Auschwitz ein. Am 7. Juli 1942, etwa einen Monat nach seiner Ankunft in Auschwitz, wurde Isaac dort ermordet.
Chaya und ihre beiden Söhne flohen nach Nizza in Südfrankreich. Paul zeichnete Protestgraffiti und wurde deswegen von den Behörden gesucht. Daher wurden die Brüder im September 1943 in die Schweiz geschmuggelt, wo man sie in ein OSE-Kinderheim in Genf einwies. Chaya blieb in Frankreich und überlebte.
Nach dem Krieg lebten Chaya und Henri in Frankreich. Paul studierte in Genf und Paris Kunst. 1948 wanderte er nach Israel aus und verpflichtete sich zum Machal (Wehrdienst in der israelischen Armee für Freiwillige ohne israelische Staatsbürgerschaft). Im Laufe seines Wehrdienstes illustrierte er Anleitungsbroschüren. Später entwarf Kornowski, der unter dem Namen „Kor“ schrieb und zeichnete, Poster, Briefmarken und Banknoten und gewann viele internationale Preise. Er schrieb und illustrierte viele Kinderbücher, darunter die Serie „Caspion, der kleine Fisch“.
In späteren Jahren widmete sich Kor in erster Linie dem Zeichnen.
Paul Kor starb 2001.
Meine sehr Lieben,
Eure Karte vom 16. ist angekommen. Mein lieber Paul, es scheint, als wäre Mutter bei all Deinen Karten außer der ersten nicht in Paris gewesen, weil sie keine Zeit hatte mir Dinge selbst zu erzählen... von zuhause seitdem ich weg bin.
Meine liebe Frau und meine Söhne. Ihr müsst verstehen, dass ich gern Genaueres über Eure Situation wüsste, die mir große Sorgen macht. Ich habe Euer Paket bekommen, mitsamt der Essensration... Habt Ihr daran gedacht, die Kohleration abzuholen? (Seit ihr sicher), dass ihr alles aus dem Ladenlager mitgenommen habt? Habt ihr etwas von meinem Bruder gehört? Wie geht es Fanny und der... Familie?
Seite 2
Was mich betrifft... geht es mir gut. Ich habe immernoch Hoffnung, dass wir bald wieder zusammen sind, wie früher. Einer meiner Freunde wurde von hier entlassen... Ehrlich... Hat er euch besucht? Schickt mir wenn möglich, im nächsten Päckchen, ein bisschen Öl und Essig und ein paar Zwiebeln. Ich bitte Euch, meine Lieben, schreibt auf der nächsten Karte jeder in seiner Handschrift. Ich mache Schluss. (Ihr müsst) noch mutiger sein, und verliert nicht die Hoffnung, dass wir eines Tages wieder zusammen sein werden, wie in der Vergangenheit. Ich umarme Euch fest, und wieder, noch einmal. Wir werden uns bald wiedersehen.
Dein Mann und Euer Vater.
Kein Tabak oder Zigaretten im nächsten Paket
P.S. Grüße an den kleinen ... Umarmt ihn von mir.
(Grüße an all unsere Freunde)