Die Bielefelder Juden unter dem Naziregime
Mitte 1933 gab es in Bielefeld 797 Juden bei einer Gesamtbevölkerung von 120.000. Sofort nach der Machtübernahme durch die Nazis wurden Schritte eingeleitet, um die Juden aus dem wirtschaftlichen und öffentlichen Leben der Stadt zu verdrängen. Über jüdische Ärzte, Rechtsanwälte und Geschäftsleute wurde ein Boykott verhängt. Die Einkünfte der Juden sanken drastisch. Jüdische Betriebe wurden „arisiert”. Es wurde den Juden verboten, Vergnügungsstätten zu besuchen, und physische Angriffe auf Juden wurden zur Alltäglichkeit. Bis 1935 wanderten einige Dutzend Juden aus Bielefeld aus, überwiegend in europäische Nachbarländer. Mittels der Provinzialstelle für jüdische Wirtschaftshilfe organisierte die jüdische Gemeinde Unterstützung und berufliche Fortbildung für die Auswanderer. Die zionistischen Aktivitäten unter den Jugendlichen wurden ausgeweitet. Kurse für hebräische Sprache und in anderen Bereichen wurden organisiert, und eine Zweigstelle der WIZO wurde eröffnet.
Nach der Verabschiedung der Nürnberger Gesetze 1935 nahm die Auswanderung von Juden aus Bielefeld stark zu. Zwischen September 1935 und Anfang November 1938 verließen 184 Juden die Stadt. Doch es kamen andere: 105 waren es 1936. Am 28. und 29. Oktober 1938 wurden im Rahmen der „Ausweisung nach Zbonszyn“ 11-13 Juden osteuropäischer Herkunft aus Bielefeld deportiert. Etwa 500 Juden blieben zurück.
1933 gab es in der Stadt 151 jüdische Betriebe. Anfang November 1938 verblieb von diesen nur noch etwa ein Drittel.
Im Verlauf des Novemberpogroms, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, wurde die Synagoge in der Turnerstraße abgebrannt, und 18 jüdische Betriebe wurden verwüstet und geplündert. 40-50 jüdische Männer, überwiegend Geschäftsinhaber, wurden festgenommen. Etwa 30 von ihnen wurden ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht, wo sie für einige Monate festgehalten wurden. Jüdische Kinder, die noch immer deutsche Schulen besuchten, wurden ausgeschlossen. Im Januar 1939 gab es nur noch 4 jüdische Betriebe in Bielefeld, und im Mai und Juni wurden auch diese „arisiert”. Immer mehr Juden wurden zur Zwangsarbeit herangezogen.
Vom Novemberpogrom bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs (1. September 1939) wanderten 196 Bielefelder Juden aus. Die verbleibenden Juden wurden in „Judenhäuser” zwangsumgesiedelt. Bis es Juden am 23. Oktober 1941 verboten wurde, die Grenzen des Reichs zu verlassen, emigrierten 48 weitere Juden aus Bielefeld. Nach dem Verbot gelang weiteren 9 die Flucht. Von den 495 Juden, die aus Bielefeld auswanderten, gelangten die meisten in die Vereinigten Staaten, nach England und Holland. Die übrigen gingen nach Eretz Israel, Südafrika und in andere Zielorte.
Im September 1939 eröffnete die Bielefelder Gemeinde eine Schule für 17 Schüler. Es wurde eine „Hachshara” zur beruflichen Umschulung eingerichtet, die die Gestapo später zu einem Zwangsarbeitslager umfunktionierte, in dem 75 Juden beschäftigt wurden. 1940-41 gründete die Gemeinde ein Altersheim. Ab der zweiten Hälfte des Jahres 1941 konnten Juden nur noch während einer einzigen Stunde am Tag Bedarfsartikel kaufen. Im September 1941 wurde ihnen verboten, auf dem Stadtmarkt Einkäufe zu machen. Im Herbst 1941 verblieben in Bielefeld noch etwa 500 Juden, von denen ungefähr 100 in „Mischehen“ lebten.