Text: Chana Kheytin-Vinsteyn
Wie bei vielen der Lieder, die 1946 für die Zentrale Jüdische Historische Kommission in München aufgenommen wurden, finden sich weder in der Aufnahme selbst noch im Begleitmaterial Angaben zu der Sängerin.
Lied aus dem Ghetto Siauliai, Litauen.
Dieses Lied erscheint in „Lider fun di Getos un Lagern“ („Lieder aus den Ghettos und Lagern, 1948; Text: S. 95, Noten: S. 386), in „Mir zenen do“ („Wir sind da“, 1983; S. 72) mit Übersetzung ins Englische, in „Min Hametzar Karati“ („Aus der Enge rief ich“, 1954; S. 113) und in der Anthologie „Min Hametzar“ („Aus der Enge“, 1987; S. 156) mit Übersetzung ins Hebräische.
Das Lied wurde nach dem Kindermord im Ghetto Siauliai (Litauen) geschrieben. Die Dichterin beschreibt das Schicksal der vielen Kinder, die versteckt und von Nichtjuden erzogen wurden, die bis zum Ende des Krieges ihr eigenes Leben aufs Spiel setzten, um ihre kleinen Schützlinge zu retten. Den kleinen Kindern wurde abverlangt, ihre jüdischen Namen und ihr früheres Leben zu vergessen, um zu überleben. Das Lied beschreibt eine Mutter, die ihr Kind zu einer Familie in einem kleinen Dorf in Litauen bringt, das Kind, das sich nicht von ihr trennen will, und beider Qual.
Wie viele anderen Lieder enthält das Lied einen Vergleich mit Moses, der von seiner Schwester gerettet wurde, indem sie ihn auf dem Nil aussetzte. Moses erscheint in vielen Liedern, nicht nur wegen der Geschichte seiner Kindheit, sondern auch, weil er das Volk Israel aus der Sklaverei in die Freiheit führte und die Juden darauf warteten, von ihrem Leid in den Ghettos und Lagern erlöst zu werden.
In a litvish derfl vayt
In a shtibl on a zayt,
Durkh a fentster nit keyn groys
Kukn kinderlekh aroys,
Yingelekh mit flinke kep,
Meydelekh mit blonde tsep,
Un tsuzamen dort mit zey,
Kukn oygn shvartse tsvey.
Oygn shvartse ful mit kheyn,
un a nezele a kleyn,
Lipelekh tsum kushn nor,
Shtark gelokte shvartse hor.
Di mame hot im gebrakht
Ayngeviklt in der nakht,
Gekusht im shtark un geklogt,
Shtilerheyt tsu im gezogt:
Fun haynt mayn kind, vet zayn dayn ort,
Gedenkst dayn mames letste vort
Ikh bahalt dikh do derfar,
Vayl dayn lebn drot gefar,
Mit di kinder shpil zikh fayn,
Shtil, gehorkhzam, zolstu zayn,
Keyn yidish vort, keyn yidish lid,
Vayl du bist nit mer keyn yid.
Dos kind bay ir bet zikh shtark:
Kh'vil mame, nor zayn mit dir,
Mame farloz nit iber mir aleyn,
S'kind fargeyt zikh in geveyn.
Zi hot im gut gekusht a sakh,
Ober helft ir nit keyn zakh,
S'kind nor taynet: neyn un neyn,
Kh'vil nit blaybn do aleyn.
Af di hent genumen im,
Un mit veykhkayt in ir shtim
Zingt zi: yingele, du mayn,
Un zi vigt im azoy ayn.
Nokh dem veynt zi fray zikh oys
Un zi tret fun shtub aroys,
Ongefilt mit zorg un shrek,
Un zi geyt in nakht avek.
A Kelt in droysn un a vint,
Hert a kol zikh: oy, mayn kind.
Gelozt dikh af fremde hent,
Andersh hob ikh nit gekent.
Geyt a mame, mit zikh redt,
Un in droysn shreklekh kalt un shpet,
S'voyet in ponem ir der vint
Got, hob rakhmones af mayn kind!
Fremde shtub mit mentshen fil,
S'yingele iz shtum un shtil.
Redt nit, bet nit, vil keyn zakh,
Zeltn ven er tut a lakh.
Nit keyn tog un nit keyn nakht,
Nit er shloft un nit er vakht,
Vasilko a nomen fremd
Af zayn hertsl drikt un klemt.
A mames harts voglt vu arum,
Vi ir yosele oykh shtum,
Keyner veys nit, keynem art,
Un zi vart un vart un vart.
Tsu Yokheved iz zi glaykh,
Azoy vi Moyshe afn taykh
Elnt, eynzam afn vint,
Iz farlozt ir eyntsik kind.