Der Holocaust ist ein historisches Ereignis des Mordens und der Gewalt am jüdischen Volk durch die Nazis und deren Mittäter. Am Ende der Reihe konstanter Gewalt erwartete alle Juden der Tod, auch jene, die nur nach der nationalsozialistischen Rassenideologie als Juden galten. Der Weg in den Tod war jedoch in gewisser Hinsicht unterschiedlich für Frauen, Männer und Kinder.
In dieser Ausstellung versuchen wir die menschliche Geschichte, die sich hinter den historischen Fakten verbirgt, zu enthüllen. Wir haben beschlossen, aus der gesamten Narrative den Fokus auf die jüdischen Opfer zu richten und der einzigartigen Stimme der Frauen unter ihnen Raum zu geben.
Mehr als zwei Millionen Frauen und Mädchen wurden im Holocaust ermordet. Die nationalsozialistische Ideologie forderte die Vernichtung der gesamten jüdischen „Rasse“. Frauen stellten, als Träger der Fruchtbarkeit, einen Schwerpunkt innnerhalb der Verfolgungspolitik dar.
Jüdische Frauen lebten zu der Zeit in einer weitgehend konservativen und patriarchalischen Gesellschaft, in der der Mann das Familienoberhaupt darstellte und die Frau die traditionellen Aufgaben im Haus übernahm oder das ihrige zum Lebensunterhalt beitrug.
Folglich waren Frauen nicht in Führungspositionen der jüdischen Gemeinde vertreten. Stattdessen übernahmen sie im Holocaust die Familien-Hauptrolle, die man als „Bejahung des Lebens“ bezeichnen könnte, den Versuch jede Situation zu überleben.
Ziel unserer Ausstellung ist nicht zu wiederholen, was die Nazis und ihre Mittäter Frauen antaten, außer in dem zum Verständnis notwendigen minimalen Umfang. Stattdessen setzen wir den Fokus auf die Reaktionen der jüdischen Frauen auf die Lebenssituation im Holocaust. Der Besucher sollte stets im Gedächtnis behalten, dass es sich um ein Ereignis handelt, bei dem die menschliche Böswilligkeit beispiellose Höhepunkte erreichte.
Die Reaktionen der Frauen auf die Böswilligkeit, die ihnen mit ganzer Gewalt entgegenschlug, waren unterschiedlich und vielfältig. Unserer Meinung nach, entzieht sich jede Reaktion jeglichem Urteil, selbst wenn sie unverständlich und nach den kulturellen Normen unseres alltäglichen Lebens inakzeptabel ist. Wir sollten stets bedenken, in welchen verheerenden und extremen Umständen sich diese Frauen im Holocaust befanden.
Wir haben die Reaktionen nach Themen gruppiert. Bei einigen von ihnen handelt es sich um individuelle Reaktionen, andere wiederum erwiesen sich als für viele Frauen typisch.
Kinder wurden im Holocaust sehr schnell erwachsen und die jungen Mädchen übernahmen Aufgaben von Erwachsenen. Viele der Älteren starben schon in der Phase der Ghettoisierung, oder wurden mit Auflösung der Ghettos ermordet. Folglich liegt der Fokus dieser Ausstellung auf der erwachsenen Frau: Auf denjenigen Frauen, die alt genug waren Entscheidungen zu treffen und verantwortlich waren, sich um die Menschen in ihrer Umgebung zu kümmern. Frauen dieses Alters fühlten sich oft zerrissen zwischen der Verpflichtung ihrer Familie gegenüber - ihres Mannes und ihren Kindern - und ihrer Verpflichtung gegenüber ihrer alten Eltern. Häufig übernahmen sie Verantwortung für hilfebedürftige Gruppen der Bevölkerung. In der Regel kümmerten sie sich nur in den extremsten Situationen um sich selbst.
Eine der Umstände, die die Anfangsphase des Krieges hauptsächlich in Osteuropa charakterisierte, ist, dass die Männer zur Zwangsarbeit verschleppt wurden oder nach Osten flohen. Viele glaubten, dass die Besatzung die Männer gefährdete, den Frauen und Kindern jedoch nichts angetan werden würde. In beiden Fällen, ebenso wie zu einer späteren Zeit, als die Männer in die Wälder geflüchtet oder bereits ermordet waren, blieben viele Frauen mit den Kindern und den Alten allein und machten somit einen großen Teil der Bevölkerung der Ghettos aus.
Selbst wenn Männer blieben, sind viele daran zerbrochen, dass sie nicht mehr der Hauptverdiener sein konnten, was ihre traditionelle Position als Familienoberhaupt schwächte. Infolgedessen übernahmen viele Frauen die Aufgabe, Nahrung zu beschaffen und minimale Funktionen der Familie, trotz der schweren Umstände, zu sichern. Die Erklärung für eine derartige Verantwortungsübernahme liegt in der Fähigkeit vieler Frauen, auch unter existentiellem Druck zu funktionieren.
Außerdem schrieben sie dem Begriff der Selbstachtung keinen Wert zu; stattdessen wurde das Ziel der Nahrungsbeschaffung und des Beibehaltens der Grundhygiene zur antreibenden Kraft. Es lässt sich erkennen, dass sie dies manches Mal wesentlich stärker machte.
Emanuel Ringelbum, der Historiker, der das Warschauer Ghetto dokumentierte, schrieb darüber Folgendes in sein Tagebuch: „...der zukünftige Historiker wird eine passende Seite der jüdischen Frau im Krieg widmen müssen. Sie wird einen wichtigen Platz in der jüdischen Geschichte für ihren Mut und ihre Standhaftigkeit einnehmen. Durch ihren Verdienst, haben tausende von Familien es geschafft, den Terror der Zeit zu überwinden.“
Die Identifizierung der Frau mit den Kindern, sowohl von der Umgebung als auch von den Frauen ausgehend, war einerseits antreibende Kraft, führte jedoch andererseits zu ihrer gemeinsamen Ermordung.
In den Fällen, in denen die Frau die Ermordung überlebte und Zwangsarbeiterin der Nazis wurde, kam sie in die Welt der Lager. Dies waren meistens reine Frauenlager, in denen die Lebenserwartung bei drei Monaten lag. Dort versuchten sie ihre Identität zurückzuerlangen, nachdem sie allen Merkmalen der Individualität, Familie und Lebenskultur, die ihre vorherige Identität ausgemacht hatten, beraubt worden waren. Auf diesen „Planeten“, auf denen Gesetze herrschten, die für den menschlichen Verstand unbegreiflich sind, versuchten die Frauen zu überleben, indem sie menschlichen Kontakt mit anderen Frauen aufbauten, der als „Ersatzfamilie“ bezeichnet wird. Die Sehnsucht nach dem Leben verband sie miteinander.
Jüdische Frauen im Holocaust verwendeten ihren Verstand an Orten, die sie um den Verstand brachten. In Momenten, in denen sie keine Kraft hatten, brachten sie Kraft auf. An Orten, an denen ihnen und ihren Familien das Recht auf Leben verwehrt wurde, gingen sie den Weg in den Tod und füllten jede zusätzliche Minute des Lebens mit Bedeutung.
Es sind die Stimmen dieser Frauen, die wir zu Wort kommen lassen und deren Geschichte wir erzählen möchten.
Geschrieben von: Yehudit Inbar
„…Der zukünftige Historiker wird eine passende Seite der jüdischen Frau im Krieg widmen müssen. Sie wird einen wichtigen Platz in der jüdischen Geschichte für ihren Mut und ihre Standhaftigkeit einnehmen. Durch ihren Verdienst, haben tausende von Familien es geschafft, den Terror der Zeit zu überwinden.“