Bronislava Krištopavičienė
(Litauen)
Bronislava Krištopavičienė wurde 1888 in dem weißrussischen Dorf Kublichi geboren. Sie zog nach Litauen, ließ sich in Kowno nieder und blieb dort bis ans Ende ihres Lebens. Ihr Ehemann Povilas Krištopavičius, ein Offizier der litauischen Armee, wurde 1940 von den Sowjetbehörden festgenommen und starb in einem sibirischen Lager. Alleingelassen mit ihrem heranwachsenden Sohn, nahm Krištopavičienė eine Stelle als Krankenschwester in einem der Krankenhäuser des Ortes an, wo sie viele Jahre lang arbeitete.
Im Frühjahr 1944 wandte sich eine Bekannte aus der Vorkriegszeit, eine junge Jüdin namens Zinaida Levina (geb. Sneider) an Bronislava Krištopavičienė. Im August 1941 waren Frau Levina, ihr Ehemann Grigoriy Levin und ihre Eltern im Ghetto Kowno eingesperrt worden. Im September 1941 hatte Levina ein kleines Mädchen, Anita, zur Welt gebracht. Trotz der harten Lebensbedingungen, des Mangels an Hilfsmitteln für die Säuglingspflege und des ständigen Hungers war es der Familie gelungen, Anita zu behüten. Das Geplapper und Gelächter des kleinen Mädchens gab ihrem Leben Bedeutung. Während der „Kinderaktion“, die am 27. und 28. März 1944 im Ghetto durchgeführt wurde, wurde Anita versteckt. Nun suchten ihre Eltern dringend nach jemandem außerhalb des Ghettos, bei dem sie das Kind verstecken konnten.
Krištopavičienė erklärte sich sofort bereit zu helfen. Eines Abends kam sie mit einer jüdischen Arbeiterbrigade ins Ghetto, und am Morgen ging sie auf die selbe Weise wieder hinaus, beladen mit einem Kartoffelsack, in dem das Kleinkind lag, dem man ein Schlafmittel gegeben hatte. Für eine Weile wohnten sie bei Freunden Krištopavičienės, wo sich Anita an ihre Retterin gewöhnte und die litauische Sprache lernte. Im Sommer kehrten sie in Krištopavičienės Wohnung in der Stadt zurück, wo Anita als deren verwaiste Verwandte ausgegeben wurde.
Krištopavičienė schickte eine Nachricht an Anitas Mutter im Ghetto, um sie wissen zu lassen, dass sie nach Kowno zurückgekehrt seien. Bei der Liquidierung des Ghettos im Juli 1944 floh Levina in die Wohnung ihrer Freundin. Ein jüdisches Paar namens Kasimov fand ebenfalls dort Zuflucht. Sie alle erlebten die Befreiung Kownos durch die Rote Armee am 1. August 1944. Grigoriy Levin und Josef Sneider, Anitas Vater und Großvater, waren ins Konzentrationslager Dachau deportiert worden, wo beide starben. Ihre Großmutter Sterla Sneider war im Lager Salaspils in Lettland ermordet worden.
Nach dem Krieg adoptierte der zweite Ehemann Zinaida Levinas die fünfjährige Anita, und das Paar entschloss sich, der Tochter nichts von ihrem leiblichen Vater zu erzählen. Die Familie ließ sich in Wilna nieder, blieb aber in ständigem Kontakt mit Frau Krištopavičienė, besuchte sie und half ihr, besonderes nach der tragischen Ermordung ihres einzigen Sohnes durch nationalistische Banditen. Bronislava Krištopavičienė starb 1969 im Alter von 81 Jahren in Kowno. Anita Friedberg und ihre Nachkommen halten ihr Andenken bis heute in Ehren.
Am 25. Dezember 2006 wurde Bronislava Krištopavičienė von Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern anerkannt.