Irena Sendler
(Polen)
Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, war Irena Sendler eine neunundzwanzigjährige Sozialarbeiterin, angestellt bei der Wohlfahrtsabteilung der Stadt Warschau. Auch nach der Besetzung durch die Deutschen kümmerte sich die Abteilung um eine große Anzahl armer, aus ihren Wohnungen vertriebener Menschen in der Stadt. Irena Sendler nutzte ihre Position aus, um den Juden zu helfen. Als das Ghetto im November 1940 abgeriegelt wurde, war dies jedoch praktisch nicht mehr möglich. Nahezu 400.000 Menschen waren in das kleine Gebiet getrieben worden, das dem Ghetto zugewiesen worden war, und ihre Situation verschlechterte sich zusehends. Die schlechten hygienischen Bedingungen in dem übervölkerten Ghetto sowie der Mangel an Nahrung und medizinischer Versorgung führte zu Epidemien und hohen Sterberaten. Irena Sendler ersann unter großer persönlicher Gefahr Wege, ins Ghetto zu gelangen und den sterbenden Juden zu helfen. Sie schaffte es, von der Stadt Warschau eine Genehmigung zu erhalten, das Ghetto zu betreten, um die sanitären Verhältnisse zu inspizieren. Sie half, Juden aus dem Ghetto auf die „arische“ Seite hinauszuschmuggeln und Verstecke für sie zu organsieren.
Mit Gründung des Rates für die Unterstützung der Juden (Żegota) wurde Irena Sendler eine von dessen Haupt-Aktivistinnen. Der Rat wurde im Herbst 1942 eingerichtet, nachdem 280.000 Juden von Warschau nach Treblinka deportiert worden waren. Als er gegen Ende des Jahres zu arbeiten begann, waren die meisten Juden Warschaus bereits ermordet worden. Aber der Rat spielte eine entscheidende Rolle bei der Rettung einer großen Anzahl von Juden, die die Massendeportationen überlebt hatten. Die Organisation kümmerte sich um Tausende von Juden, die versuchten, im Versteck zu überleben, indem sie Zufluchtsorte suchte und für Nahrung und medizinische Versorgung aufkam.
Im September 1943, vier Monate nach der totalen Zerstörung des Ghettos Warschau, wurde Sendler zur Leiterin der Abteilung für die Versorgung jüdischer Kinder der Żegota ernannt. Sendler, deren Deckname „Jolanta“ war, nutzte ihre Kontakte zu Waisenhäusern und Einrichtungen für verlassene Kinder aus, um jüdische Kinder dorthin zu schicken. Viele der Kinder wurden ins Waisenhaus „Rodzina Marii“ in Warschau geschickt sowie in religiöse, von Nonnen geleitete Einrichtungen im nahegelegenen Chomotow und in Turkowice bei Lublin. Die genaue Anzahl der von Sendler und ihren Mitarbeitern geretteten Kinder ist unbekannt.
Am 20. Oktober 1943 wurde Irena Sendler festgenommen. Es gelang ihr, Belastungsmaterial wie z.B. die codierten Adressen der Kinder, um die sich die Żegota kümmerte, und große Summen Geldes zur Bezahlung derjenigen, die den Juden halfen, zu verstecken. Sie wurde zum Tode verurteilt und in das berüchtigte Pawiak-Gefängnis gesteckt, doch es gelang Untergrundaktivisten, Beamte zu bestechen, um sie freizubekommen. Die Erfahrung, unmittelbar vom Tod bedroht gewesen zu sein, schreckte sie nicht davon ab, ihre Tätigkeit fortzusetzen. Nach ihrer Freilassung im Februar 1944 setzte Irena Sendler ihre Aktivitäten im Untergrund fort, obwohl sie wusste, dass die Behörden ein Auge auf sie hatten. Schließlich musste sie untertauchen. Das Leben im Untergrund machte es ihr unmöglich, an der Beerdigung ihrer eigenen Mutter teilzunehmen.
Am 19. Oktober 1965 wurde Irena Sendler von Yad Vashem als Gerechte unter den Völkern anerkannt. Der Baum, der zu ihren Ehren gepflanzt wurde, steht am Eingang der Allee der Gerechten.