„In der Hoffnung, die kleiner als ein Prozent ist, dass meine Tochter lebt und sie eines Tages Yad Vashem besucht und auf meinen Namen stößt, möchte ich, dass ihr mich ‘Lina Beresin aus Kaunas’ nennt.”
Dies schrieb Lina 1968 in einem Brief auf jiddisch.
Lina wurde 1910 in Litauen geboren. 1933 heiratete sie Jacob Beresin und zog nach Kaunas. Ihre Tochter Shulamit erblickte 1935 das Licht der Welt. 1941 wurden alle Juden ins Ghetto gesperrt, das ab September 1943 ein Konzentrationslager war. Im Rahmen der „Kinder-Aktion” im März 1944 wurde Shulamit nach Auschwitz deportiert und höchstwahrscheinlich ermordet. Im Zuge der Auflösung des Konzentrationslagers im Juli 1944, wurden Lina und ihre zwei Schwestern in das Konzentrationslager Stutthof deportiert. Dort fertigte Lina den BH für sich an. Ihr Mann wurde nach Dachau deportiert, wo er ums Leben kam.
Lina und ihre Schwestern überlebten. Lina wanderte nach Mexiko aus, wo sie erneut heiratete.
Sie kleideten uns in Häftlingskleidung, gestreifte Männerhosen und Männerhemden oder -jacken. Ich konnte nicht ohne Büstenhalter rumlaufen. Da ich gelernte Schneiderin von Beruf war, fing ich an darüber nachzudenken, wie und wovon ich einen BH machen könnte. Wie das Sprichwort schon sagt: „Wer suchet, der findet.”
Meine beiden Schwestern hatten Männerjacken erhalten, deren Ärmel gefüttert waren. Ich trennte die Fütterung aus den Ärmeln und hatte nun etwas Stoff. Von meinem Männerhemd entfernte ich drei Knöpfe. Eine Frau, die in ihrer Jacke eine Nadel gefunden hatte, gab sie mir im Tausch gegen eine ganze Tagesration Essen. Aus dem Bündchen der Decke löste ich den Faden und so hatte ich alles, was ich brauchte, um einen BH anzufertigen. Aber dann trat das größte Problem von allen auf: Wie kam ich an eine Schere? Aber da „Not erfinderisch macht”, kam mir die Idee, dass ich mit einer Glasscherbe schneiden könnte, wenn ich eine hätte. Nach langem Suchen in den Baracken, stieß ich auf ein zerbrochenes Fenster, aus dem ich eine Scherbe löste. Ich legte mich mit meinem Stoff und der Glasscherbe auf den Boden und schnitt das wertvolle Stück zu. Dann nähte ich ihn.
Ich trug den BH fast sieben Monate bis zur Befreiung am 23. Januar 1945. Ich war die einzige Frau unter Tausenden, die so ein Kleidungsstück besaß. Die anderen beneideten mich und träumten von einem BH.